Virtueller Krieg

Fake News, Bots und Schadsoftware: Wie der Kampf um die Ukraine auch im Internet tobt

Christian Urban

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17.3.2022, 05:57 Uhr
Der Krieg in der Ukraine hatte im Internet bereits begonnen, bevor die ersten russischen Panzer die Grenze überquert hatten. (Symbolbild) 

© Sebastian Gollnow/dpa/Illustration Der Krieg in der Ukraine hatte im Internet bereits begonnen, bevor die ersten russischen Panzer die Grenze überquert hatten. (Symbolbild) 

Am späten Abend des 24. Februar kapitulierte Thomas Kaspar. Rund 17 Stunden zuvor hatten russische Panzer mit dem physischen Angriff auf das Nachbarland Ukraine begonnen, als der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau twitterte: "Unser Community-Team meldet, dass Pro-Putin-Trolle und Bots die Kommentarspalten unserer Auftritte in den sozialen Medien überschwemmen. Da z.B. @Facebook ein Löschlimit von 10.000 Kommentaren pro Tag hat, können wir dem massiven Angriff nicht mehr Herr werden."

Kaspar beschreibt damit ein schon lange bekanntes, gleichzeitig aber kaum lösbares Problem: Seit vielen Jahren betreiben russische Internet-Trolle ("Putinbots") - vom Kreml über Umwege gesteuert und finanziert - Manipulation im Internet, wobei besonders die sozialen Netzwerke betroffen sind. Hier streuen die Mitarbeiter mit Hilfe fingierter Identitäten Fake News und prorussische Propaganda und nutzen die Algorithmen von Facebook, Twitter &. Co. aus, um künstliche Reichweite für ihre Beiträge zu erzeugen.

Mit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine erreichten die russischen Troll-Aktivitäten im Netz nun aber einen neuen Höhepunkt und folgten auch einer veränderten Taktik: Ging es früher primär darum die öffentliche Meinung mehr oder weniger subtil zu beeinflussen und die Gesellschaft zu spalten, gleichen Angriffe, wie die Frankfurter Rundschau sie erlebt hat, eher "Denial of Service"-Attacken. Diese Methode ist in Hackerkreisen beliebt, um Internet-Seiten temporär lahmzulegen. Hierbei werden bestimmte Websites von mehreren Computern aus innerhalb kurzer Zeit unzählige Male automatisiert aufgerufen, bis der Server der Seite durch die Menge der Anfragen den Dienst quittiert und sie nicht mehr aufrufbar ist.

Die sozialen Netzwerke sind allerdings nur eine der virtuellen Fronten, an denen gekämpft wird. Bereits seit dem Ende des letzten Jahres steht die Ukraine im Fokus eines Cyberangriffs von bisher nicht gekanntem Ausmaß. Neben den bereits erwähnten DoS-Attacken kommt dabei auch eine neue und brandgefährliche Schadsoftware zum Einsatz: Hermetic Wiper. Das Programm ist in der Lage, sämtliche Daten von Festplatten zu löschen und wurde von Microsoft bereits Mitte Januar in diversen IT-Infrastrukturen in der Ukraine entdeckt - darunter bei Behörden, Non-Profit-Organisationen und IT-Organisationen.

Inzwischen hat Hermetic Wiper laut der Sicherheitsfirma ESET bereits hunderte ukrainische Computer lahmgelegt - die Dunkelziffer wird jedoch noch wesentlich höher eingeschätzt. Die Herkunft der Schadsoftware ist bislang ungeklärt, angesichts der zeitlichen und politischen Zusammenhänge vermuten ukrainische Experten jedoch Russland oder Belarus als Ursprungsort.

Wehrlos ausgesetzt ist die Ukraine der Attacke jedoch nicht: Neben einer beispiellosen Welle der Solidarität und Hilfsangeboten aus der ganzen Welt hat sich am 24. Februar auch das Hackerkollektiv Anonymous eingeschaltet und angekündigt, Russland digital zu bekämpfen. Bereits kurz nach dieser Ankündigung waren zahlreiche russische Internetseiten nicht mehr erreichbar - darunter neben den Internetauftritten des Kremls, der Regierung und des Verteidigungsministeriums auch die Webseite des russischen Staatssenders Russia Today, der seit 2009 nur noch RT heißt.

Auch zu einer weiteren Aktion bekannte sich das Kollektiv: Auf den Webseiten mehrerer russischer Staatsmedien war am 28. Februar kurzzeitig eine Botschaft zu lesen, in der ein Ende der russischen Invasion in der Ukraine gefordert wurde. "In einigen Jahren werden wir wie in Nordkorea leben. Warum muss das sein? (...) Dies ist nicht unser Krieg, beenden wir ihn!"

Russische Staatsmedien - darunter besonders RT - stehen auch außerhalb des Landes stark unter Druck. Der vom Kreml finanzierte und kontrollierte Sender, der seit vielen Jahren in den sozialen Netzwerken vor allem durch die Verbreitung von Falschinformationen und prorussischer Propaganda auffällt, verlor wegen der Verbreitung von Fake News zur Corona-Pandemie bereits im September seinen deutschen Kanal auf dem Video-Portal YouTube.

Am 1. März schließlich sperrte YouTube wegen des Angriffs auf die Ukraine europaweit sämtliche Kanäle von RT und Sputnik, einem weiteren russischen Staatssender. Apps, die in Verbindung mit den Sendern stehen, wurden darüber hinaus sowohl aus Apple App Store, als auch aus Google Play entfernt. Und auch Facebook und Twitter haben inzwischen Konsequenzen gezogen: Die Netzwerk-Betreiber lassen nicht mehr zu, dass russische Staatsmedien in den Netzwerken Anzeigen schalten oder anderweitig Geld verdienen.

Es sind jedoch nicht nur Tech-Firmen oder Hacker, die Russland den Kampf angesagt haben. Ganz normale Internet-Nutzer weltweit nutzen mittlerweile virtuelle Guerilla-Taktiken, um die russische Kriegspropaganda auszuhebeln - beispielsweise auf Google Maps: So finden sich in den Rezensionen diverser häufig frequentierter Einrichtungen und Orte in Russland neben den üblichen Bewertungen seit einigen Tagen auch Schilderungen des Angriffs auf die Ukraine. In Landessprache. Der Google-Übersetzer macht es möglich.

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