Fall Renate Künast: Justizentscheidung macht fassungslos

Manuel Kugler

Politikredakteur

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20.9.2019, 11:33 Uhr
Immer wieder Ziel des Hasses: Renate Künast.

© Angelika Warmuth (dpa) Immer wieder Ziel des Hasses: Renate Künast.

Es ist ein Beschluss, der jeden Nicht-Juristen (und inzwischen auch viele Juristen) fassungslos zurücklässt: Nach Ansicht des Landgerichts Berlin muss sich die Grünen-Politikerin Renate Künast auf Facebook Kommentare wie "Stück Scheiße" und "altes grünes Dreckschwein" gefallen lassen. Diese und andere Begriffe stellen nach Ansicht des Gerichts "keine Diffamierung der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigungen“ dar.

Ja, im Zweifel ist es durchaus richtig, die Meinungsfreiheit weit auszulegen: Eine freiheitliche Demokratie und ihre Politiker müssen schließlich auch krude Standpunkte und harte Angriffe aushalten. Das Strafgesetzbuch definiert aber zurecht Grenzen dieser Meinungsfreiheit. Grenzen, die dann überschritten sind, wenn Menschen beleidigt werden oder Volksverhetzung betrieben wird.

 

Nicht immer sind die Fälle eindeutig, die Gerichte müssen mitunter schwierige Abwägungsentscheidungen treffen. So wie das Verwaltungsgericht München, das nun feststellte, der NPD-Wahlspruch „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ von 2017 sei Diskriminierung, aber keine Volksverhetzung gewesen. Ein Grenzfall - und kaum Anlass für Justizschelte. Ganz anders als der Fall Künast. Denn was sonst als Beleidigungen stellen Begriffe wie "Stück Scheiße" oder "Dreckschwein" dar? Etwa politische Debattenbeiträge?

Es gibt kein Recht aufs Unwidersprochen-Bleiben

Natürlich werden jetzt manche einwenden, zwar seien solche Beleidungen tatsächlich abzulehnen, der Satz, dass man in Deutschland nicht mehr alles sage dürfe, gelte aber nach wie vor. Kurz: Die Meinungsfreiheit sei längst eingeschränkt.

Wer so argumentiert, der sagt zwar Meinungsfreiheit, meint aber etwas ganz anderes: nämlich dass ihm doch bitte nicht widersprochen werden soll. Ein solches Recht existiert in einer Demokratie, die nur durch einen Austausch von Meinungen lebensfähig ist, aber nicht - und das ist gut so.

 

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