"Führungsanspruch erloschen"

FDP-Wahldesaster: Christian Lindner zieht sich aus der Politik zurück

Johanna Mielich

Online-Redaktion

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23.02.2025, 23:02 Uhr
Falls die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, möchte Christian Lindner zurücktreten.

© Bernd von Jutrczenka/Bernd von Jutrczenka/dpa Falls die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, möchte Christian Lindner zurücktreten.

Absturz der FDP bei der Bundestagswahl: Nach dem Aus der Ampel-Koalition haben die Liberalen und ihr Vorsitzender Christian Lindner eine schwere Niederlage erlitten. "Wir sind im letzten Herbst in das volle politische Risiko gegangen für unser Land. Wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür", sagt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner auf dem Wahlabend seiner Partei. Er kündigte seinen Rücktritt für den Fall an, dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert - was Hochrechnungen von ARD und ZDF am Abend zeigten.

Lindner war Ende 2013 kurz nach dem Desaster der Bundes-FDP, die gerade aus dem Bundestag geflogen war, Parteichef geworden und hatte die Liberalen 2017 mit 10,7 Prozent zurück in den Bundestag geführt. Er vereinte die Partei in den letzten Jahren sehr stark um sich. Lindner sprich pointiert und druckreif zu nahezu allen Themen. Er polarisiert mit seiner Art. Und konnte im entscheidenden Moment nun doch nicht mehr punkten.

Die Partei hat sich an sich selbst berauscht

Mit größtem Selbstvertrauen sind die Liberalen in diese Wahl gegangen. Beim Wahlparteitag in Potsdam wurde der Vorsitzende noch begeistert bejubelt. Großer Optimismus wurde zelebriert.

Mit deutlichen Ambitionen hatte sich Lindner im November - die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen war da Geschichte - aus dem Amt des Bundesfinanzministers verabschiedet. "Dieses Haus leiten zu dürfen, war mir immer eine große Freude und Ehre. Deshalb verabschiede ich mich auch mit einem politischen Ziel und persönlichem Gruß zugleich: auf Wiedersehen!", schrieb er in einer Mail an die Mitarbeiter des Ressorts.

Danach sah es lange gar nicht aus. Wie einbetoniert stand die FDP bei Zustimmungswerten von um die vier Prozent. Lindner wirkte angefasst, aber hartnäckig. Er schaue da hin, wo er hin wolle, wie beim Autofahren, wenn man nicht in die Leitplanken geraten wolle, sagte er.

Hoffnungen haben sich zerschlagen

Und immer wieder Momente der Hoffnung. Als der frühere SPD-Chef und einstige Vizekanzler Sigmar Gabriel wenige Wochen vor der Wahl in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" sprach, war das so ein Moment: "Ich glaube, dass es dem deutschen Parlamentarismus - seit es die Bundesrepublik gibt - gutgetan hat, dass es ein liberales Element im Parlament gab", sagt Gabriel.

Er nennt die FDP ein "Widerlager" gegen die staatsgläubigen Parteien - "einschließlich der Union und der Linkspartei und der SPD". Und Gabriel warnte vor dem Einfluss des Bündnisses Sahra Wagenknecht. "Also da kämpfe ich lieber dafür, dass die FDP da auch reinkommt."

Lindner provoziert mit ungewöhnlichen Tönen

Im Dezember hatte Lindner für einen gewissen Wirbel gesorgt, als er angedeutete, sich den ultraliberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei und den Donald Trump nahestehenden Tech-Milliardär Elon Musk zum Vorbild nehmen zu wollen. Zwar machte Provokationen und bisweilen sogar bestürzende Ansichten aus. "Hinter den Provokationen von Milei und Musk steckt dennoch eine disruptive Energie, die Deutschland fehlt", schrieb der Ex-Finanzminister in einem Gastbeitrag im "Handelsblatt".

Auch nach der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) stimmte Lindner nicht in die parteiübergreifende Kritik an der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten ein. "J.D. Vance hat natürlich provokant gesprochen. Aber ich empfehle uns, eine gewisse Demut zu prüfen, ob nicht tatsächlich bei uns die Freiheit der Meinungsäußerung von vielen Menschen als eingeschränkt empfunden wird", sagte Lindner am Rande des Treffens.

Es ist ein Wahlabend des Zitterns und Bangens für die FDP, an dem Hoffnungen langsam schwinden, nachdem erst noch gejubelt wird. Lindner versucht gar nicht erst, die Lage schönzureden. Es sei eine Niederlage für die freien Demokraten, sagt er. Jetzt müsse man bewerten und sortieren und eine lange Nacht durchstehen. Am Montag treffen sich die Gremien der Partei.

Lindner richtet den Blick auf die weitere Zukunft, die für die FDP - die auch eine Serie von Niederlagen in den Ländern zu verkraften hat - aber unklar erscheint. "Eines jedenfalls ist sicher: Die Freien Demokraten, sie sind nicht endgültig besiegt", sagt Lindner. Und: "So oder so. Ab morgen wird die Fahne der Freien Demokraten wieder aufgerichtet."

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