Flüchtlingskrise: Türkei fordert drei Milliarden mehr von EU
7.3.2016, 21:51 UhrIn der Flüchtlingskrise fordert die Türkei nach den Worten von EU-Parlamentschef Martin Schulz von den Europäern bis 2018 weitere drei Milliarden Euro. "Drei Milliarden sind in der Debatte", sagte Schulz am Montag in Brüssel am Rande des EU-Türkei-Gipfels. Aus den Reihen der EU-Staaten kamen sofort Bedenken.
Die EU hatte bereits im vergangenen November drei Milliarden Euro zur besseren Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei zugesagt. Die EU-Staaten stritten aber lange intern über die Lastenteilung. Erst Monate später gab es eine konkrete Abmachung. Schulz sagte, das frische Geld werde von Ankara ebenfalls für die Flüchtlinge im Land gefordert. Nach Schätzungen gibt es dort 2,7 Millionen Flüchtlinge.
Laut Schulz muss sich die EU erneut an die Arbeit machen, das Geld zusammenzubekommen. Das Europaparlament, das beim EU-Haushalt ein Mitspracherecht hat, sei dazu bereit.
Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte am Rande der Eurogruppe, die EU habe eine Zusage für eine Finanzierung der drei Milliarden Euro gegeben. "Ich bin nicht bereit, darüber hinaus Mittel zur Verfügung zu stellen, so lang nicht die Belastungen, die Länder wie Deutschland, Schweden, Österreich tragen, auch abgegolten werden", sagte der Wiener Minister.
Türkei pocht auf Visafreiheit
Die EU-Staaten stellten sich außerdem auf weitere politische Zugeständnisse an die Türkei ein, unter anderem auf ein Vorziehen von geplanten Reiseerleichterungen für türkische Staatsbürger. Allerdings pocht Ankara nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu nicht nur Visaerleichterungen, sondern auf Visafreiheit.
Die neuen Vorschläge von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu brachte die gesamte Gipfelplanung durcheinander - das eintägige Treffen wurde bis in den Abend hinein verlängert. Davutoglu sagte, das Ziel des neuen Vorschlags sei, "Leben von Flüchtlingen zu retten und diejenigen zu entmutigen, die die verzweifelte Lage der Flüchtlingen missbrauchen und ausnutzen wollen".
"Eins-zu-Eins"-Formel der Flüchtlingspolitik
Im Gegenzug könnte die EU künftig alle illegal einreisenden Migranten wieder in die Türkei zurückschicken - also nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge, sondern auch Syrer. Flüchtlingen soll so der Anreiz genommen werden, sich Schlepperbanden anzuvertrauen.
Damit die Türkei mit der Last nicht alleine bleibt, will sie aber für jeden zurückgebrachten Migranten einen auf legalem Weg in die EU schicken. Diplomaten sprachen von der "Eins-zu-Eins"-Formel. Offen blieb zunächst, ob sich einige EU-Staaten bereiterklären, der Türkei eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen abzunehmen. Ankara poche auf eine solche Kontingentlösung, hieß es.
Kritik an europäischen Zugeständnissen
Belastet wurden die Verhandlungen zur Flüchtlingsfrage durch das Vorgehen der türkischen Justiz gegen die größte Oppositionszeitung "Zaman". Sowohl türkische Oppositionspolitiker als auch Staats- und Regierungschefs warnten vor einem Verrat europäischer Prinzipien. "Es kann (...) nicht sein, dass wegen der Flüchtlingsfrage andere Werte, die für Europa wichtig sind, wie Pressefreiheit, einfach über Bord geworfen werden", sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel.
Die türkische Oppositionspartei HDP übte konkret Kritik an Kanzlerin Merkel. Seit es die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gebe, schweige die deutsche Regierung zu Menschenrechtsverletzungen und zum Druck auf die Medien, sagte der Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas. Merkel hat nach Angaben einer Sprecherin die Pressefreiheit in der Türkei bei Davutoglu angesprochen.
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