Fränkischer Experte zu Ankerzentren: "Es ändert sich nichts"
2.8.2018, 11:20 UhrFragen an Michael Münchow, Sachgebietsleiter Erstaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen bei der Regierung von Mittelfranken.
NZ: Herr Münchow, inwiefern gehen die Aufgaben des Ankerzentrums in Zirndorf über die der bisherigen Zentralen Aufnahme-Einrichtung (ZAE) hinaus?
Michael Münchow: Zunächst heißen wir ganz korrekt "Ankereinrichtung in Zirndorf", nicht Ankerzentrum. Mit dem heutigen Tag ändert sich zunächst einmal nichts. Es wird sich aber noch etwas ändern. Zum einen ändern sich die Herkunftsländer der Asylbewerber. Wir haben bisher Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive, also einer hohen Anerkennungsquote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Wir werden aber wieder stärker durchmischt, also auch Asylbewerber mit schlechter Bleibeperspektive bekommen. Das war früher schon einmal so und jetzt kehren wir zu diesem Prinzip zurück. Was auch kommen wird, ist eine Kontaktstelle der Bundesagentur für Arbeit und des Jobcenters, um den Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive möglichst frühzeitig Beratungsangebote, was den Arbeitsmarkt anbelangt, machen zu können. Wir haben wieder eine Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Ansbach vor Ort. Das dient dazu, Asylbewerbern, die nicht anwaltlich vertreten sind, einen kurzen Weg zum Verwaltungsgericht zu ermöglichen.
Welche anderen Behörden sind noch mit Mitarbeitern vor Ort?
Münchow: Wir haben schon das Bamf mit einer Außenstelle, wir haben die Zentrale Ausländerbehörde und das Sozialamt da, wir haben das Gesundheitsamt und perspektivisch auch das Jugendamt. Aber noch haben wir hier keine unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Worin besteht eigentlich der konkrete Fortschritt eines solchen Ankerzentrums?
Münchow: Eine richtige konkrete Neuerung gibt es nicht, muss man ehrlicherweise sagen. Warum nicht? "Anker" steht ja für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung, Rückführung – und das sind Dinge, die eine bayerische Aufnahmeeinrichtung, wie hier in Zirndorf, schon immer macht. Die Asylbewerber kommen bei uns an, sie werden auf Kommunen verteilt, es wird in der BAMF-Außenstelle über Asylanträge entschieden und die Ausländerbehörde kümmert sich um die Rückführungen. Das ist auch der Grund, warum man in Bayern gesagt hat, dass man hier die bestehenden Aufnahmeeinrichtungen relativ leicht in Ankereinrichtungen umwandeln kann.
Sinn der Ankerzentren soll es sein, die Asylverfahren zu beschleunigen. Ist das realistisch?
Münchow: Das Bamf entscheidet hier sehr zügig, wir haben eine Bearbeitungszeit von etwa sechs Monaten. Das ist das Ziel, was bundesweit so vorgegeben ist. Wenn ich für Zirndorf spreche, wird man nicht wirklich viel verbessern können, weil die zuständigen Behörden alle schon da sind.
Wie viele Menschen leben derzeit in der neuen Ankereinrichtung und wird sich die Zahl verändern?
Münchow: Wir haben 500 Bettenplätze zur Verfügung, davon sind 400 belegt, also etwa 80 Prozent. Ich denke, das wird ungefähr so bleiben. Die Herkunftsländer der Asylbewerber werden sich verschieben, aber unter dem Strich wird sich nicht groß etwas verändern.
Wie bewerten Sie aus Ihrer Erfahrung heraus das soziale Klima auf dem Gelände der Einrichtung und im Umfeld?
Münchow: Es ist sehr ruhig. Das liegt auch daran, dass die Aufnahmeeinrichtung schon seit über 60 Jahren existiert, wir sind hier ein gewohntes Bild. Auch in der Einrichtung ist es sehr, sehr ruhig. Natürlich gibt es mal die eine oder andere Auseinandersetzung unter Asylbewerbern, so dass auch mal die Polizei eingreifen muss. Größere Einsätze, wie man sie leider in anderen Einrichtungen gesehen hat, gab es hier schon lang nicht mehr.
Kritiker sagen, dass die Asylbewerber in diesen Ankereinrichtungen zum Nichtstun verdammt seien und sich deshalb die sozialen Spannungen steigern könnten. Wie sehen Sie das?
Münchow: Diese Kritiker waren offensichtlich hier noch nie in der Einrichtung, denn so etwas gibt es hier nicht. Die zentrale Aufnahme von Asylbewerbern ist in einem ersten Schritt notwendig, weil man sie registrieren muss und der Asylbewerber für das BAMF verfügbar sein muss. Da ist es von Vorteil, wenn er gleich "nebenan" wohnt. Wir werden in Zukunft auch Asylbewerber mit schlechter Bleibeperspektive haben, die bis zu 18 Monate dableiben und möglichst aus der Aufnahmeeinrichtung heraus wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden. Klar, wenn man 18 Monate hier ist, ist das nicht so angenehm. Wenn das hier nicht funktioniert, müssen wir die Leute auch auf die Gemeinschaftsunterkünfte in den Kommunen verteilen. Aber auch das war bisher kein Problem.
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