Fürth rückt seinen Sohn Ludwig Erhard ins Zentrum

16.10.2013, 13:38 Uhr
Bekam den Ludwig-Erhard-Preis 2013: Andreas Schmid.

© Hans-Joachim Winckler Bekam den Ludwig-Erhard-Preis 2013: Andreas Schmid.

Ludwig Erhard und Fürth: kein einfaches Verhältnis. Zu seinen Lebzeiten (1897-1977) gab es im Stadtrat keine Mehrheit dafür, dem Wirtschaftsminister (1949-1963) und Bundeskanzler (1963-1966) die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Erst spät kehrte er zurück ins Gedächtnis — und ins Stadtbild: mit einer Büste vor dem Wirtschaftsrathaus, mit einem nach ihm benannten Stadtmuseum Ludwig Erhard (in der einstigen Realschule, die er besuchte).

Und voraussichtlich ab 2015 auch mit einem Ludwig-Erhard-Haus. Ein Vorbild ist das Lübecker Willy-Brandt-Haus. Ein bestens vernetzter Initiativkreis und eine von regionalen Unternehmern gut ausgestattete Stiftung, beide angetrieben von der Journalistin Evi Kurz, haben das Fürther Projekt auf den Weg gebracht.

Im Laden der Eltern

Den Ort besichtigten nun einige Hundert Gäste: Geplant ist der Umbau des Erhard-Geburtshauses in der nach ihm benannten ehemaligen Sternstraße gleich hinter dem Rathaus. Dort betrieben Erhards Eltern ein Wäschegeschäft, auch ihr Sohn half dort mit. Der Laden soll erhalten und ins Museum integriert werden. Zudem ist ein moderner, (wieder mal) als Kubus angelegter Neubau eines Ausstellungs- und Forschungszentrums gegenüber geplant, auf einer derzeit als Parkplatz genutzten Fläche. Dort stand bis zum Bau der U-Bahn das legendäre „Café Fürst“, in dem neben Erhard auch Quelle-Gründer Gustav Schickedanz und Radio-Pionier Max Grundig Gäste waren.

Fürth rückt seinen Sohn Ludwig Erhard ins Zentrum

© Entwurf: Reinhard Bauer Architekten

Das Objekt der Fürther Forschungs-Begierde stand nun bei der elften Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises vor viel Prominenz im Stadttheater im Zentrum. Den Preis bekam der junge Ökonom Andreas Schmid, der sich in seiner Doktorarbeit mit den für die Patienten meist negativen Folgen der Konzentration im Krankenhaussektor samt immer größerer Klinik-Konzerne befasste; in die engere Wahl kamen Christian W. Müller und Alexander Brunner.

Knapp vier Stunden lang beleuchteten Experten die Rolle Erhards, auf den sich „alle berufen — von Friedrich Merz bis hin zu Sahra Wagenknecht von der Linken“, so Fürths OB Thomas Jung. Der Historiker (und Immobilien-Unternehmer) Daniel Koerfer würdigte Erhard als „Häuptling der Ordo-Liberalen“ und nannte die Festgesellschaft die „letzten Mohikaner“ dieses Häuptlings. Erhard sei „kein Politiker, sondern ein Fundamentaloptimist“ gewesen, so Koerfer.

Provozierender Vergleich

Für Erstaunen bis Ärger bei etlichen Gästen sorgte er mit einem provozierenden Vergleich: Die Nazis hätten unter anderem mit staatlich festgelegten Preisen und Löhnen ab 1933 fürs „erste Wirtschaftswunder“ gesorgt. Nun, Stichwort Mindestlohn, wollten viele etwas wiederhaben, was es bei Hitler schon gegeben habe - so Koerfer.

Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof, den Angela Merkel im Wahlkampf 2005 als Finanzminister im Auge hatte, griff Koerfers Aussage auf, wonach in Erhards Jugend im späten Kaiserreich ein Spitzensteuersatz von vier Prozent gegolten habe - mit kritischen Anmerkungen zur heutigen Steuerhöhe. Dabei, so der Professor, habe der Staat „strukturell keinen Umverteilungsauftrag, auch nicht durch Steuern.“

Was weder Kirchhof noch Koerfer erwähnten: 1949 lag der Spitzensteuersatz unter Kanzler Konrad Adenauer und seinem Wirtschaftsminister Erhard bei 95 (!) Prozent, ab 1953 wurde er gesenkt auf 53, später lag er zeitweise bei 56 Prozent. Drastisch reduziert wurde er erst unter Rot-Grün.

Kirchhof erinnerte an Erhards Kombination von Freiheit und Verantwortung, aus der sich dessen soziale Marktwirtschaft ergeben habe. Und er prangerte die „organisierte Nichtverantwortlichkeit“ der Finanzmärkte an — die Folgen eines zu freien Marktes ohne Maß.

Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz beklagte nicht allzu indirekt die Abwertung von Erhards Wirtschafts-Ressort gerade durch Angela Merkel. In einem eingespielten Video-Interview von Evi Kurz deutete ein anderer prominenter Fürther, Ex-US-Außenminister Henry Kissinger, die oft beleuchteten Schwachstellen Erhards als Kanzler an („eine gemütliche Persönlichkeit“), die dann auch der frühere Erlanger Historiker Michael Stürmer aufgriff: Jene „Brutalität“, die man als Regierungschef auch brauche, habe ihm gefehlt. „Zu naiv“ (Koerfer) sei der aktenscheue „Staatsmann der Freiheit“ (so Ex-Bauminister Oscar Schneider) in den Machtkämpfen vor allem mit Adenauer gewesen.

Ob Erhard nun „fast reif für einen Heiligenschein“ sei (Stürmer)? Dieser Gefahr sollte das Fürther Erhard-Zentrum nicht erliegen.

15 Kommentare