Gewinn oder Gewissen? Schwere Entscheidung für Siemens

Gregor le Claire

Redaktion Politik und Wirtschaft

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11.1.2020, 14:27 Uhr

Die Zeit der unwissenden Unschuld, sie ist leider vorbei. Nie war den Menschen bewusster als uns heute, die wir im Jahr 2020 leben, dass ihr eigenes tägliches Handeln langfristig Konsequenzen für die Lebensqualität auf dem gesamten Planeten hat. Und zwar keine guten, so weit wir das beurteilen können. Das macht es natürlich ungemütlich und erzeugt eine Menge Druck.

Wie stark der werden kann, erlebt in diesen Tagen geradezu beispielhaft Siemens. Auslöser sind ein paar Signale, die der Konzern an einer Bahnstrecke in Australien bauen möchte. Doch weil diese Gleise eine Kohlemine erschließen sollen, sieht sich Siemens plötzlich von Klimaaktivisten an den Umweltpranger gestellt.
Übertrieben? Ja, vielleicht. Und auch ein bisschen ungerecht?
Bestimmt.

Geschickter Schachzug

Aber in Wahrheit geht es eben nicht nur um die paar Signale. Die sind lediglich der Anlass, die viel größere Frage an einem konkreten Fall zu debattieren: Welcher Verantwortung müssen auch gewinnorientierte Unternehmen für die sozio-ökologischen Folgen ihres Tuns gerecht werden? Und ja, diese Frage ist sehr wohl angemessen und gehört unbedingt geklärt. Denn, siehe oben: Dafür wissen wir einfach zu viel.


Klima-Aktivistin Neubauer kann Posten bei Siemens wählen 


Es spricht für Siemens-Chef Joe Kaeser, dass er diesen umsatzmäßig für den Konzern unbedeutenden Auftrag inzwischen zur Chefsache gemacht hat. Und es war ein geschickter Zug von ihm, sich mit Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht der jugendlichen Klima-Bewegung Fridays-for-Future, zu treffen. Fürs Erste hat er damit verhindert, dass Siemens aus der Sache ein größerer Imageschaden entsteht.

Ein Problem indes bleibt: Entscheidet sich Kaeser nun endgültig dafür, den Auftrag in Australien aufzugeben, schadet das dem Ruf des Konzerns als verlässlicher Geschäftspartner. Hält er daran fest, droht besagter Imageschaden als Umweltfrevler doch noch. Siemens wird vermutlich einen Kompromiss versuchen. Auftrag ja, aber mit besonderen Öko-Ausgleichsmaßnahmen – so etwas in der Art.

Auf Dauer aber kann das natürlich nicht die Lösung sein. Die aktuellen Regeln der globalen Wirtschaft zwingen Unternehmen wie jetzt Siemens immer wieder dazu, zwischen Gewinn und Gewissen zu wählen? Stimmt. Daher ist jetzt auch die Politik gefordert, diese Regeln so anzupassen, dass sich beide Ziele vereinbaren lassen. Sage niemand, ein mächtiger Wirtschaftsraum wie die Europäische Union, – der zweitstärkste der Welt – habe darauf keinen Einfluss. Es mag keine leichte Aufgabe sein, aber sie ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Was wiederum Hoffnung macht. Denn dass sie einen Planeten wollen, auf dem das Leben auch für die nächsten Generationen noch lebenswert ist, das wünschen sich doch alle, egal ob Klimaschützer, Unternehmensvertreter oder Politiker. Also: Ran ans Werk.

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