Groko-Streit: Erster CDU-Abgeordneter für Tempolimit

dpa

29.12.2019, 15:45 Uhr

Im Streit um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf Konfrontationskurs zu Verkehrsminister Andreas Scheuer gegangen. "Ich bin für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Auch die neue SPD-Chefin Saskia Esken legte in der Debatte noch einmal nach: Es gebe nur wenige Länder ohne Tempolimit. Nordkorea gehöre dazu, schrieb sie am Samstag bei Twitter.

Kritiker aus Union und FDP wiesen die Forderungen zum Teil scharf zurück - mit Ausnahme eines CDU-Bundestagsabgeordneten, der sich an die Seite der Tempolimit-Befürworter stellte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) machte einen Vorschlag zur Beruhigung der aufgeheizten Debatte.


Kommentar zum Tempolimit: Gegner betreiben Symbolpolitik


Ein Tempolimit verringere die Unfälle mit Todesfolge und spare jährlich ein bis zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2), sagte Umweltministerin Schulze. "Insofern spricht der gute Menschenverstand für die Einführung eines generellen Tempolimits, das es in fast allen EU-Ländern längst gibt." Auch im Netz wurde weiter lebhaft diskutiert. SPD-Chefin Esken schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter: "(..) in Nord-Korea gibt es kein Tempolimit, ebensowenig wie zum Beispiel in Afghanistan", schrieb Esken unter anderem. "Es gibt sonst fast kein Land mehr mit unbeschränktem Tempo. Sind die alle verrückt?"

Der CSU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange übte scharfe Kritik an der Haltung der SPD: "Die neuen SPD-Vorsitzenden sind offensichtlich völlig von der Rolle", sagte der stellvertretende Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag der dpa. "Wer glaubt, ein generelles Tempolimit sei die dringendste Maßnahme, um die Abwanderung von SPD-Wählern zu stoppen, dem ist offensichtlich der politische Kompass verloren gegangen." Deutschland habe "mit die sichersten Autobahnen der Welt". Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU) sprach von "Symbolpolitik". Die SPD solle lieber Vorschläge für eine bessere Lenkung der Verkehrsströme machen, statt "immer wieder alte Ladenhüter hervorzuholen", sagte er der Bild am Sonntag.

Gegen die eigene Partei beim Thema Tempolimit stellte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt aus Frankfurt (Oder). "Meine Überzeugung wächst angesichts der sich dramatisch verändernden Klimasituation, dass Regierungspolitik den Mut haben muss, unpopuläre Entscheidungen kurzfristig zu treffen", sagte er der Bild am Sonntag. Patzelt habe auf eigene Kosten 500 Aufkleber zu "Tempo 130" bestellt und wolle diese verschenken, berichtete die Zeitung.

Unterstützung von Özdemir

Ein Vorschlag zur Beruhigung der Debatte kam am Wochenende von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Die Bundesregierung solle ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten in Auftrag geben, um valide Zahlen über den Nutzen einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu bekommen, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens dem Handelsblatt. "Mit einer solchen Grundlage kann man die aktuell sehr emotionsgeladene Diskussion sicher auf eine sachliche Ebene bringen."

Unterstützung für den Vorschlag gab es von Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir und dem FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic. Özdemir schrieb bei Twitter: "Wenn die Gegner einer Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen der Kraft ihrer Argumente vertrauen, spricht doch nichts gegen ein unabhängiges Tempolimit-Gutachten oder?" Luksic sagte dem Handelsblatt: "Neue Zahlen und Fakten können ein guter Ansatz zur Versachlichung sein".

Die GdP gehört selbst zu den Tempolimit-Befürwortern. Es gebe Schätzungen, die davon ausgingen, dass man mit einem Tempolimit bundesweit etwa 80 Verkehrstote pro Jahr vermeiden könne, sagte GdP-Vize Mertens. In Deutschland sterben jährlich mehr als 3000 Menschen im Straßenverkehr. FDP-Politiker Luksic wies allerdings auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes hin, wonach die meisten Menschen auf Landstraßen ums Leben kommen.

Nach wie vor freie Fahrt auf Autobahnen

Auf dem Großteil der Autobahnen in Deutschland gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne verbindliches Tempolimit sind 70 Prozent des Autobahn-Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen. Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.

Die Tempolimit-Debatte war über Weihnachten erneut hochgekocht. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich ablehnend geäußert: «Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen - für das es gar keine Mehrheiten gibt." Der Regierungspartner SPD hatte auf einem Parteitag Anfang des Monats ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen gefordert und das mit Verkehrssicherheit und Klimaschutz begründet.

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