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"Halten Sie mal Ihren rechten Rand!" - Beim Thema Migration knallt's im ZDF-Wahl-Talk sofort

07.02.2025, 08:38 Uhr
Im ZDF-Wahl-Talk Schlagabtausch ging es schwerpunktmäßig um die Themen Migration und Wirtschaft.

© ZDF Im ZDF-Wahl-Talk Schlagabtausch ging es schwerpunktmäßig um die Themen Migration und Wirtschaft.

"Jetzt halten Sie mal Ihren rechten Rand, ich rede gerade", schnauzte der bisher ruhig wirkende Jan van Aken, Spitzenkandidat Die Linke, Tino Chrupalla an. Dabei war der Co-Parteivorsitzende der AfD, der kurzfristig für Spitzenkandidatin Alice Weidel eingesprungen war, vielleicht der Lauteste, sicher aber nicht der Einzige, der die Aussagen des Linken-Politikers mit "unfassbar" kommentierte: Als reine "Ablenkungsdebatte" hatte van Aken nämlich die Diskussion zur Migration bezeichnet und dafür plädiert, "über soziale Fragen zu reden, die die Menschen wirklich bewegen."

Beim "Schlagabtausch" am Donnerstagabend im ZDF hatten er und die anderen Vertreter der Parteien, die am Sonntag beim großen ZDF-TV-Duell Scholz gegen Merz nicht zu Wort kommen, genau dafür Gelegenheit: Neben van Aken und Chrupalla hatten sich Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP), Sahra Wagenknecht (BSW) und Felix Banaszak (die Grünen) in Kampfstellung begeben, um insbesondere zu den zwei Themen Wirtschaft und Migration ihre Argumente vorzubringen.

Dass Die Linke "als einzige Partei in der Runde die Migration nicht begrenzen will", wie Moderator Andreas Wunn anmerkte, bescherte van Aken zwar immer wieder Applaus vom Berliner Live-Publikum. Chrupalla hingegen ließ das kalt: "Ich rege mich nicht auf", antwortete er auf Wunns Frage, "weil das ist Wahlwerbung für uns". Emotionaler hingegen reagierte Sahra Wagenknecht (früher Die Linke, jetzt BSW) auf die Aussagen ihres ehemaligen Parteikollegen: So könne man nur reden, wenn man "weit weg von der Realität ist", warf sie van Aken vor, wenn man nicht in benachteiligte Viertel ginge. "Wann warst du zuletzt in so einem?", konterte der.

Sahra Wagenknecht fürchtet, "dass die Stimmung kippt"

Wagenknecht holte aus und berichtete von Überforderung an Schulen, der Gesundheits- und Bauwirtschaft sowie der Sicherheitsbehörden. "Bei uns in Deutschland sind die Zahlen zu hoch", lautete ihre Schlussfolgerung: "Klar, als Politiker kann man die Realität wegreden. Wir sollten aber endlich verstehen, dass wir das Problem lösen müssen, wenn wir nicht wollen, dass die Stimmung kippt."

Mit dem Zustrombegrenzungsgesetz hätte man einen Vorschlag zur Lösung gemacht, betonte Alexander Dobrindt (CSU): "Grüne und SPD haben es abgelehnt." Zugestimmt hingegen hatten immerhin große Teile der FDP: "Man muss es denen leichter machen zu kommen, die wir dringend im Arbeitsmarkt brauchen", argumentierte deren Spitzenkandidat Christian Lindner, "aber man hat es zu lange denen leicht gemacht, die eingewandert sind und kein dauerhaftes Bleiberecht haben."

Deshalb machte er den Grünen direkt in der Sendung ein Angebot: Man könne doch die Gesetzesvorschläge der rot-grünen Bundesregierungen und die Vorschläge der Union, die auch denen der FDP entsprächen, zusammenlegen und "gemeinsam beschließen und einen parteiübergreifenden Schulterschluss zeigen, um die AfD kleinzumachen. Die AfD macht man nicht klein mit Lichterketten, sondern nur indem man die Probleme klein macht."

Experte zieht AfD-Versprechen in Zeifel

Bei Felix Banaszak (die Grünen) stieß er mit diesem Plädoyer auf taube Ohren: "Die AfD macht man nicht klein, indem man das Narrativ übernimmt, das die Partei groß gemacht hat", wurde er für diese schlagkräftige Aussage mit Applaus belohnt. Banaszak sprach sich gegen einen nationalen Alleingang aus und verwies auf das Gemeinsame Europäischen Asylsystem (GEAS).

Außerdem wünschte er sich "die Debatte aus der Polarisierung zu bekommen" und sprach sich für "Differenzierung" aus: "Es ist möglich Menschen aufzunehmen, nicht nur die, die hoch qualifiziert sind, sondern auch Menschen, die auf der Suche nach Schutz sind, weil sie vor Bomben, Hunger, Bedrohung fliehen, und mit denen, die Straftaten begehen, konsequent umzugehen." Statt sie beispielsweise nach Afghanistan abzuschieben, "wo sie als Helden gefeiert werden", wäre es besser, sie zuerst in Deutschland ihre Strafe verbüßen zu lassen.

Abschiebungen im großen Stil hingegen verspricht die AfD in ihrem Wahlprogramm, das sich Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz für "Schlagabtausch" angeschaut hatte: "Nur wie sie die Heimatländer überzeugt, sie zurückzunehmen, sagt sie nicht wirklich", monierte der Experte. Durch "diplomatische Beziehungen" statt dem moralischen Zeigefinger wie es Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) getan hätte, wusste Chrupalla das ganz genau. Er könnte sich vorstellen, eine Rücknahme "auch mit Geldleistungen schmackhaft" zu machen. Eine konkrete Summe konnte er zwar nicht nennen, "aber es wäre für Steuerzahler und die Sicherheit günstiger, wenn man im großen Stil zurückführt."

Christian Lindner: "Dieses Land braucht Talent, Technologie und Toleranz"

"Herr Chrupalla hat recht", erhielt der AfD-Politiker - sehr zu dessen Überraschung - Unterstützung von Lindner. Doch die Harmonie war nur von kurzer Dauer. Bevor Andreas Wunne nämlich nach 45 Minuten einen "Strich unter das Thema Migration" machen und sich Deutschlands Wirtschaft zuwenden konnte, brachte ein Schlagabtausch zwischen den beiden Politikern den perfekten Übergang.

Die Migranten hätten eine "Bringschuld". Sie müssten "dafür sorgen, dass sie die Sprache lernen und schnellstmöglich auf den Arbeitsmarkt kommen", beschrieb Chrupalla seine Idee von Integration. "Wirkliche Fachkräfte" seien bisher nicht gekommen. "Die, die kamen, landeten zu 50 Prozent im Bürgergeld, das die Steuerzahler belastet." Grund dafür seien die hohen Ausgaben, der unattraktive Wirtschaftsstandort und die hohen Sozialleistungen.

"Eigentlich ist Lindner schuld, weil er war Finanzminister", versuchte sich Moderator Wunne in einer Übersetzung. "Dreimal habe ich zum 1.1. die Steuern gesenkt", wollte Christian Lindner das nicht auf sich sitzen lassen, erkannte aber einen "wahren Kern." Neben den Steuern und Sozialabgaben sowie der Neidkultur läge es aber auch daran, dass eine "rechtspopulistische Partei bei 20 Prozent liege. Die AfD ist auch eine Gefahr, weil sie das Land abschotten will, und dieses Land braucht Talent, Technologie und Toleranz. Das sind die drei T's, die wir brauchen."

Alexander Dobrindt (CSU): "Die Putin-Hörigkeit wird uns nicht erfolgreich machen!"

Um die ging es zwar auch im zweiten Teil der Diskussion, vor allem aber auch um die Frage der Energie. "Ihre Idee für deutsche Wirtschaft ist billiges Gas aus Russland", fragte Wunn Sahra Wagenknecht. Man müsste zu "wettbewerbsfähigen Preisen kaufen", bezog sie sich auf eine nicht genannte US-Studie, nach der das Geld, das in Deutschland "Familien und Unternehmen fehlt", unter anderem auch auf "den Konten reicher Russen beziehungsweise dem russischen Staat" lande. "Wie dumm kann man sein, Russland schaden zu wollen, und dann schadet man den Deutschen?", kritisierte sie die Ampel-Regierung.

Russisches Gas "gehört zum Energiemix dazu, den Deutschland braucht", hatte Chrupalla eine klarere Antwort, "damit wir Exportweltmeister werden, nicht Moralweltmeister."

"Die Putin-Hörigkeit wird uns nicht erfolgreich machen", sah CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt das anders. Da Deutschland als einziges Industrieland der Welt vor dem dritten Jahr einer Rezession stünde, sei ein hausgemachtes Problem. Statt einzelne Betriebe mit Milliardenbeiträgen zu versorgen, müsste man "Rahmenbedingungen für die große Masse des Mittelstands" schaffen.

"Setzen Sie endlich die elende Schuldenbremse aus!"

Warum andere Länder die Krise besser überstanden hätten, dafür hatte Jan van Aken sofort einen Sündenbock parat: "Sie haben diese Schuldenbremse gemacht", hatte er dabei aber die Union im Visier: "Seit Jahren ist es nicht möglich, gegen die Krise anzuinvestieren. Wenn Sie es so gut machen wollen wie die Nachbarländer, setzen Sie endlich die elende Schuldenbremse aus!"

Mit dieser Idee konnte Christian Lindner so gar nichts anfangen, genauso wenig wie mit anderen - Mietpreisbremse und genossenschaftlicher Wohnraum - aus dem Wahlprogramm der Linken, das Professor Ulrike Malmendier von der Universität Berkeley unter die Lupe genommen hatte. "Wir haben in Deutschland eine Million Arbeitslose, und wir verwenden zehn Minuten auf dieses Thema, das halte ich nicht für angemessen", schüttelte Lindner ungläubig den Kopf und wollte lieber über das Bürgergeld oder Technologieoffenheit sprechen.

Abendfüllende Themen, zu denen es womöglich ja noch an einer anderen Stelle zum "gesunden Streit" kommt ...

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