Hass und Hetze im Internet: Auch im Netz ist man strafbar

23.8.2018, 15:29 Uhr
Das Netz sei kein rechtsfreier Raum, sagt Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke.

© Lukas Schulze, dpa Das Netz sei kein rechtsfreier Raum, sagt Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke.

Im Netz agieren so manche Kommentatoren offenbar wie in einer Parallelwelt – sie tippen mit ihren Fingern Fäkalausdrücke, doch ihr Körper sitzt geschützt auf einem Stuhl oder dem Sofa. Würden sie ihre wüsten Sprüche am Stammtisch äußern, könnte der Sitznachbar sofort reagieren, die Aufregung wäre rasch vorbei.

Doch im Netz bleiben Beleidigungen oft stehen, und auch so kommt es zu dem Missverständnis, dass im Internet Beleidigungen unter dem Motto "freie Meinungsäußerung" über alles und jeden hinausposaunt werden dürfen. "Falsch", sagt Antje Gabriels-Gorsolke, Oberstaatsanwältin und Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Das Netz sei kein rechtsfreier Raum und von einem neuen rechtlichen Feld könne keine Rede sein, Beleidigungen und falsche Behauptungen sind seit Ewigkeiten im Strafgesetzbuch aufgeführt, können gerichtlich verfolgt und angemahnt werden.

Gekränkte Ehre

Aber ab wann ist die Ehre gekränkt? "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst", so fasste der französische Philosoph François Voltaire vor über 200 Jahren die Begriffe der Toleranz und Meinungsfreiheit zusammen. Gemeint ist: Die Meinungsfreiheit bringt es mit sich, dass nicht alle Menschen sich gegenseitig gut finden müssen.

Wir dürfen sogar eine miserable Meinung voneinander haben und verbreiten – auch Menschen, die in wenigen Wochen im Internet nach Rezepten für die Martins-Gans stöbern werden, dürfen gleichzeitig einen Bürgermeister, der Gänse an der Norikusbuch bejagen lässt, kritisieren. Schon vor dem ersten Schuss, so Staatsanwältin Gabriels-Gorsolke, gingen bei der Behörde Strafanzeigen gegen Bürgermeister Christian Vogel (SPD) ein, nun prüft die Stadt, ob sich wütende Bürger in ihrer Empörung gar zu Todesdrohungen hinreißen ließen.

Hass und Hetze im Internet: Auch im Netz ist man strafbar

© F.: M. Matejka

Staat ist kein Meinungswächter

Klar: Im politischen Meinungskampf sind auch raue Töne erlaubt – doch eine Meinung gibt ein persönliches Werturteil wieder, sie kann weder "richtig" noch "falsch" sein, der Staat tritt auch nicht als Meinungswächter auf. Das Strafgesetzbuch definiert in den Paragrafen 185 bis 188 Beleidigung bis hin zur üblen Nachrede. Kraftausdrücke wie "Arschloch" etwa, sind immer beleidigend, hier braucht es kein vorsichtiges Forschen eines Gerichts, wie dies wohl gemeint war. Immer höflich braucht ein Streit nicht zu bleiben, motzen und meckern ist erlaubt, doch wider besseren Wissens falsche Tatsachen zu behaupten ist schlicht Verleumdung.


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So sauber wird im Netz nicht mehr getrennt: Im Schutz der Masse werde der Ton enthemmter, beschreibt Catarina Katzer in ihrem Buch "Wie das Internet uns verändert", erschienen ist es bei dtv. Wer sich im Netz bestätigt fühle, übertrage sein Verhalten ins reale Leben, erklärt die Psychologin, beispielsweise mit einem Blick nach Hessen. In Rüsselsheim erschossen Polizisten im Herbst 2014 zwei Kampfhunde, die in der Fußgängerzone frei herumliefen. Vorher hatten die Beamten versucht, die Tiere einzufangen, dabei wurden zwei Menschen gebissen.

Aufruf zu Zivilcourage

Im Netz wurde ein Video verbreitet, das allerdings nicht zeigte, wie die Tiere gebissen hatten – zahlreiche Tierfreunde empörten sich über die Beamten, bei der Staatsanwaltschaft gingen 171 Strafanzeigen ein. Im Netz wurde die Suspendierung der Polizisten verlangt, in Facebook-Kommentaren gefordert, die Polizisten zu erschießen. Und plötzlich verlagerte sich auch dieser Shitstorm auf die Straße und ganz normale Bürger standen vor den Häusern der Beamten, attackierten sie und ihre Familien.

Das Fazit der Psychologin Katzer: Ein Aufruf zu mehr Zivilcourage im Netz. Jeder Einzelne müsse sich mehr gegen Hetze engagieren.

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