Hat das Warenhaus ausgedient?
20.05.2009, 00:00 Uhr
Eine Rolle rotes Nähgarn, einen Liter Motorenöl fürs Auto, ein kostbares Parfüm für Tante Helga zum Sechzigsten einschließlich der passenden Geburtstagskarte, eine neue Bratpfanne und außerdem einen Schwung Socken für die achtjährige Tochter: Wer mit dieser Einkaufsliste loszieht, ist der typische Warenhaus-Kunde. Alles unter einem Dach - das ist das Konzept der Generalisten, die aus den Fußgängerzonen nicht wegzudenken sind. Und die trotzdem schwer und schwerer zu kämpfen haben.
«Es ist sicherlich so, dass das Warenhauskonzept in den letzten Jahren massive Konkurrenz bekommen hat», sagt Ute Holtmann vom Institut EHI, das für den Handel forscht. Tatsächlich lag der Marktanteil von Karstadt, Kaufhof und Co. nach Angaben des Branchenverbands HDE in den 1970er Jahren noch bei zwölf Prozent, mittlerweile ist er auf gut drei Prozent geschrumpft.
Vertrieb selbst gemacht
Gründe für den Niedergang gibt es viele: «Die Hersteller, die auf das Warenhaus setzten, haben den Vertrieb selbst in die Hand genommen. Sie verkaufen in eigenen Shops», so Holtmann. Dazu kommt: «Es gibt starke Fachmärkte, zum Beispiel im Elektrobereich.» Und die Discounter, früher auf Nahrungsmittel beschränkt, «machen mit ihren Non-Food-Offerten den Warenhäusern zu schaffen». Dass das Alles- unter-einem Dach-Konzept ausgedient hat, haben die EHI-Forscher dagegen nicht festgestellt. Im Gegenteil: Die Einkaufszentren, früher nur auf der grünen Wiese anzutreffen, erobern die Innenstädte. Ob der City Point in Nürnberg, die Arcaden in Erlangen oder das Brückencenter in Ansbach - auch hier muss der Sammel-Einkäufer das Haus nicht verlassen, um neben der Jeans noch die Schuhcreme zu ergattern. Gab es in Deutschland im Jahr 2000 erst 279 solcher Center, sind es jetzt schon 400, Tendenz steigend. Sie bieten meistens eine gute Verkehrsanbindung, kostenlose Parkplätze, eine bunte Mischung an Geschäften und Gastronomie.
«Das ist ein Prinzip, das den Kunden gefällt», weiß Ute Holtmann. «Dann kommt vielleicht noch ein Kinderbetreuungsangebot dazu, oder eine Ausstellung.» Der Bummel durch das Center wird zum Erlebnis. Wobei Holtmann betont: «Die Warenhäuser haben schon auch einiges getan.» Sie haben das Sortiment reduziert und verzetteln sich damit weniger. Sie haben Markenshops im eigenen Haus installiert, haben den Service verbessert. So manches moderne Kaufhausrestaurant ist entstanden; in Coffee-Shops lässt sich mit der Freundin darüber diskutieren, ob es nun die perfekt passende oder die nicht so perfekte, aber günstigere Bluse sein soll.
Schwierige Gebäude
Behindert werden diese Bemühungen aber oft von der Architektur der alten Gebäude: Erlebnisinseln einzubauen bleibt dort schwierig. Standortvorteile haben nach Erkenntnissen des EHI deshalb Warenhäuser, die in Einkaufscenter eingebunden sind.
Ganz spurlos geht die aktuelle Krise aber auch an den Centern nicht vorüber. Doch «es geht uns soweit gut», wie Sonja Pichler, die Managerin des Nürnberger City Point, erklärt. «Die Wohlfühlathmosphäre und die guten Serviceangebote» gehören für sie zu den Erfolgsgründen. Passen muss aber auch «der Branchenmix, um alle Kundenbedürfnisse zu befriedigen». Klar, dass es in dem Einkaufszentrum Nähgarn, Parfüm, Geburtstagskarten, Bratpfannen, Motorenöl und Socken unterm selben Dach gibt - aber dazu eben auch einen Metzger mit heißer Theke, eine Espresso-Bar und einen Schlüsseldienst.