Attacken auf Retter

Helfer im Hochwassergebiet mit Müll beworfen: Darüber muss man sich empören

Armin Jelenik

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25.7.2021, 15:35 Uhr
Wurden angegriffen: Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) errichten eine Behelfsbrücke über die Ahr.

© Thomas Frey, dpa Wurden angegriffen: Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) errichten eine Behelfsbrücke über die Ahr.

Es ist nur die berühmte Spitze des Eisberges: Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes sind in den Katastrophengebieten im Westen des Landes beschimpft und mit Müll beworfen worden. Das ist keinesfalls ein neues oder gar singuläres Phänomen. Im Gegenteil: Verbale und auch tätliche Gewalt gegen Mitarbeiter des Rettungsdienstes, der Feuerwehr, Polizisten oder auch in den Notaufnahmen der Kliniken ist in Deutschland längst Alltag.

Unbedingte Immunität

Eine nicht-repräsentative Umfrage des Deutschen Roten Kreuzes 2019 ergab, dass rund 40 Prozent der 425 befragten Rettungsdienst-Mitarbeiter in den vergangenen zwölf Monaten verbale Attacken erlebt hatten, rund 14 Prozent berichteten sogar von tätlichen Angriffen. Besonders gut erforscht ist dieses spezielle Feld der Kriminologie allerdings nicht, die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Doch eines muss man wohl festhalten: Der gesellschaftliche Konsens, dass Helfer absolute und unbedingte Immunität zu jeder Zeit und an jedem Ort genießen, ist uns verloren gegangen.

Vollends empörend wird es, wenn selbst ernannte Querdenker die Arbeit der Helfer diskreditieren, um ihre demokratieschädigende Agenda voranzutreiben. Wenn sie, wie jetzt angeblich in den Hochwassergebieten geschehen, THW-Mitarbeiter attackieren oder mit offiziell aussehenden Lautsprecherwagen durch die zerstörten Dörfer fahren und den Flutopfern mitteilen, die Helfer würden jetzt abgezogen.

Das sind nicht einfach nur üble Falschmeldungen. Das sind sehr gezielte und sehr perfide Nadelstiche, die unser Zusammenleben und unsere Demokratie im Innersten erschüttern sollen. Denn es gehört zum Kern eines demokratischen Staates, dass er Menschen in Not ohne Ansehen ihrer Person hilft. Eine Aufgabe, die er nur erfüllen kann, wenn es genügend Helfer gibt, die sich nicht um ihre persönliche Unversehrtheit sorgen müssen.

Wer Rettungskräfte attackiert, tut also weit mehr als gegen einen moralischen Imperativ zu verstoßen - was schon schlimm genug ist. Er oder sie betreibt damit bewusst oder unbewusst auch die Delegitimierung unseres Staates.

Angriffe auf uns alle

Dagegen kann und muss sich der Staat natürlich wehren. Seit 2017 können Angriffe auf Helfer mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Ob diese Verschärfung des Strafgesetzbuches tatsächlich etwas gebracht hat, darf angesichts der weiter hohen Zahl von Attacken allerdings bezweifelt werden. Vermutlich bleibt uns nichts anderes übrig, als den langen und mühsamen Weg der Aufklärung zu gehen und Angriffe auf Rettungskräfte immer wieder als das zu benennen, was sie sind: Angriffe auf uns alle.

Mut dürfen uns dabei die Tausenden Helfer machen, die jetzt aus eigenem inneren Antrieb heraus in die Flutgebiete geeilt sind, um beim Aufräumen mit anzupacken - auch wenn es am Wochenende schon fast zu viele waren. Sie alle beweisen, dass Hilfe und Solidarität eben doch keine Fremdworte sind.

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