Lauterbach will Bezeichnung beibehalten
Hoffnung vieler Impfskeptiker zerschlagen? Darum ist Novavax kein Totimpfstoff
29.12.2021, 10:57 UhrSeit Wochen schwappt wieder eine Corona-Welle über Deutschland. Es ist die vierte ihrer Art - diesmal getragen durch die Omikron-Variante. Die aktuelle Impfquote in Deutschland ist mit einem Anteil der vollständig Geimpften an der Gesamtbevölkerung in Höhe von nur 71 Prozent derzeit niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern (Quelle: Impfdashboard, RKI, BMG; Stand 28.12.2021).
Was ist ein Totimpfstoff?
Eine Ursache für die niedrige Quote ist die Skepsis einiger Bürger gegenüber der bisher zugelassenen Vektor- und mRNA-Impfstoffe. So setzen viele Impfskeptiker ihre Hoffnungen in die sogenannten Totimpfstoffe, die auf dem klassischen Impfverfahren beruhen.
Jene inaktivierten Impfstoffe enthalten laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Bestandteile der Erreger oder abgetötete Krankheitserreger, die sich anders als bei bisher zugelassenen Lebendimpfstoffen nicht vermehren können. Sie regen das körpereigene Immunsystem ohne einen tatsächlichen Ausbruch der Krankheit ein.
Dem gegenüber stehen die Lebendimpfstoffe, die beispielsweise auch gegen Masern, Mumps oder Windpocken gespritzt werden. Bei diesen Vakzinen sind abgeschwächte, aber vermehrungsfähige Erreger enthalten, die in seltenen Fällen zu einer leichten "Impfkrankheit" führen können.
Ist Novavax ein Totimpfstoff?
Ja, Novavax ist ein Totimpfstoff, würden viele Impfskeptiker vermuten, schließlich wird das Vakzin stets als solcher bezeichnet. Nein, behaupten indes das namensgebende Unternehmen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Florian Krammer. Letzterer, ein Professor für Impfstoffkunde, schrieb auf Twitter: "Kann man bitte aufhören den Impfstoff von Novavax als Totimpfstoff zu bezeichnen? Es ist ein rekombinanter Proteinimpfstoff."
Liebe Medien: Kann man bitte aufhören den Impfstoff von Novavax als Totimpfstoff zu bezeichnen? Es ist ein rekombinanter Proteinimpfstoff. Dafür wird das Spike Protein mithilfe von Baculoviren in Mottenzellen hergestellt und dann mit Matrix-M Adjuvant (ein Saponin) formuliert.
— Florian Krammer (@florian_krammer) November 24, 2021
Somit zählt das Novavax-Vakzin weder zur Gruppe der mRNA-Impfstoffen (Biontech, Moderna), noch zu den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca, Johnson & Johnson) und eben auch nicht zu den Totimpfstoffen.
So funktionieren Proteinimpfstoffe
Der Proteinimpfstoff Novaxovid enthält laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) winzige Partikel, die aus einer im Labor hergestellten Version des "Spike-Proteins" des Corona-Virus bestehen. Die Impfung regt - unterstützt durch einen Wirkverstärker - das Immunsystem zur Bildung von Abwehrstoffen gegen SARS-CoV-2 an. Dies führt dazu, dass der Körper eines Geimpften bei späterem Kontakt mit dem Virus ebendieses erkennt und gezielt bekämpft.
Die im Impfstoff enthaltenen Eiweiß-Partikel können sich laut einem Beitrag auf der IGWiG-Website nicht vermehren, es entstehen keine Viren im Körper. Ein Vorteil des proteinbasierten Vakzins: Direkt nach der Impfung kann das Immunsystem laut der Frankfurter Rundschau damit beginnen, Antikörper gegen das Corona-Spikeprotein auszubilden.
Lauterbach will Novavax als Totimpfstoff bezeichnen
Da sich proteinbasierte Vakzine, so erklärte es Impfstoffforscher Dr. Torben Schiffner gegenüber dem MDR, über viele Jahre bei der Grippeimpfstoffherstellung bewährt haben, erkennt er in Nuvaxovid einen kleinen Lichtblick. "Vielleicht beruhigt das auch Menschen, die bisher skeptisch waren und bei den neuartigen Impfstoffen Sorgen hatten."
Karl Lauterbach indes sah auch einen Nachteil des Novavax-Vakzins gegenüber der mRNA-Corona-Impfstoffe: Letztere seien "milliardenfach bewährt". Entsprechend seien die massenhaft verabreichten Impfstoffe von Moderna und Biontech "eine ganze Spur sicherer", wie der Gesundheitsminister bei Bild TV erzählte.
Andererseits könne Novavax, da es auf einer anderen Technologie basiert, den bislang misstrauischen Menschen entgegenkommen - und damit ebenso zum Ziel einer möglichst hohen Impfquote in Deutschland beitragen. Die Bezeichnung des Novavax-Vakzins wäre zwar falsch, so Lauterbach. Aus taktischen Gründen hält er diese Begrifflichkeit aber als angemessen: "Weil so viele Ungeimpfte nur Totimpfstoff wollen, warum auch immer, wird bald erhältliches Novavax als solcher bezeichnet."
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