In Camping-Kühlbox gelagert: Bayern verschwendet leichtsinnig Impfstoff - Experten entsetzt
7.1.2021, 13:50 UhrZahlreiche oberfränkische Landkreise und Städte gingen Ende Dezember bei der ersten Impfstoff-Runde leer aus. Bei 1000 Dosen des wertvollen Vakzins war fraglich, ob sie richtig gekühlt wurden. "Die Ursache liegt wahrscheinlich in individuellen Umständen des Transports", vermuteten die Behörden vor einer Woche.
Impf-Panne in Bayern: Ministerium lagerte Vakzin in Bierdosen-Box
Jetzt kommen jedoch neue Details zur Panne ans Licht. Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins Spiegel sind die Kühlboxen, die das bayerische Gesundheitsministerium zum Transport einsetzt, für Arzneimittel auf keinen Fall geeignet.
Dabei handelt es sich um das Modell Coolfreeze CF 11 des Herstellers Dometic, bestätigte ein Sprecher des Ministeriums gegenüber dem Spiegel. Die Box werde im medizinischen Fachhandel für den Transport von Arzneimitteln empfohlen. 305 Exemplare hat der Freistaat dafür beschafft, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.
Hersteller widerspricht bayerischem Gesundheitsministerium
Schon allein ein Blick in die Bedienungsanleitung lässt an der Aussage der Behörde erhebliche Zweifel aufkommen: Dort steht, dass das Gerät ausschließlich für Getränke und Lebensmittel eingesetzt werden soll. Für alle anderen Zwecke übernehme der Hersteller keine Haftung.
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Dometic widerspricht den Darstellungen des Ministeriums explizit: "Dieses Produkt ist nicht für den Transport von Arzneimitteln kreiert worden", macht eine Sprecherin gegenüber dem Spiegel deutlich.
Ministerium: Transport-Panne war Handhabungsfehler
Die Kühl-Boxen seien laut Ministerium nur für den kurzen Transport zwischen Impfzentren und Alten- und Pflegeheimen gedacht. Für den Transport der Impfstoffe von den Impfstofflagern zu den Impfzentren sind die Camping-Kühlboxen nicht vorgesehen.
Am 26. und 28. Dezember seien die Boxen dennoch "außerplanmäßig" für die Verteilung des Vakzins von den Lagern zu den Impfzentren eingesetzt worden. Für die Pannen beim Transport und der Kühlung des Impfstoffs in Oberfranken seien die Ursachen "für die unklare Einschätzung der Kühlkette Handhabungsfehler beim Gebrauch der Temperaturlogger oder durch die manuelle Temperatureinstellung an der Box", so das Ministerium gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
Experte: "Wenn ich mit so einer Box auftauchen würde, wäre ich mein Geschäft los"
Experten sind entsetzt über das Vorgehen der bayerischen Regierung. "Wenn ich mit so einer Box bei einem Kunden auftauchen würde, dann wäre ich mein Geschäft los", sagt etwa Denis Look, Geschäftsführer von TSafe, einem Spezialisten für den Transport für Wirkstoffen für die Pharmaindustrie auf Anfrage des Spiegels.
Warum sich der Freistaat für die Bierdosenbox und nicht für eine Hightech-Lösung entschieden hat, kann er nicht nachvollziehen: "Entweder haben die Entscheider keine Ahnung von der Materie, oder sie wollten Geld sparen. Oder es ist eine Kombination aus beidem."
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