Nach der Wahl reif für die Insel?
Jamaika-Koalition möglich: Das wären die Knackpunkte und Konsequenzen
31.8.2021, 20:11 UhrGäbe es den 19. November 2017 nicht, dann wäre heuer im Herbst vermutlich alles sehr viel einfacher. Wer erinnert sich noch? An diesem Abend trat FDP-Vorsitzender Christian Lindner mit seinen engsten Vertrauten vor die Fernsehkameras und verkündete den Ausstieg seiner Partei aus der ins Auge gefassten Jamaika-Koalition. Vier Wochen lang hatte man miteinander verhandelt. Manche dachten, demnächst werde es eine Einigung geben. Und dann das.
Lindner hängt sein Spruch "Besser nicht regieren als schlecht regieren" bis heute nach. Insbesondere in der Union haben es ihm viele Akteure übel genommen, dass er sich so unvermittelt aus der geplanten gemeinsamen Regierung verabschiedete. Noch einmal könnten sich die Liberalen einen derartigen Ausstieg nicht erlauben, bekommt man heute von Vertretern fast aller Parteien zu hören.
Rein rechnerisch sieht es derzeit für Jamaika gut aus. In den Umfragen der führenden acht Meinungsforschungsinstitute (nachzulesen auf Sonntagsfrage.de) kommen Union, Grüne und FDP mit Werten zwischen 50 und 60 Prozent der Stimmen auf klare Mehrheiten. Der Durchschnittswert liegt bei 53 Prozent. An den Zahlen würde es also vermutlich nicht scheitern, wenn die drei (bzw. mit CSU vier) Parteien wirklich zusammenkommen wollten.
Erster Versuch im Saarland
Dieses Bündnis, benannt nach den Nationalfarben der Insel Jamaika, wäre für die Bundesrepublik nichts Neues. Schon zwei Mal gab es eine solche Koalition, eine davon existiert bis heute. Im Saarland schloss Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) 2009 einen Vertrag mit Grünen und FDP. Das Bündnis hielt bis 2012.
Seit 2017 wird Schleswig-Holstein in dieser Farbenkonstellation regiert. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) führt eine Koalition, die nach Angaben aller Beteiligten ziemlich geräuschlos arbeitet. Von großem Streit ist bisher nichts bekannt geworden. Das ist aber auf Landesebene auch ein wenig einfacher als im Bund.
Über die Probleme, die Jamaika in Berlin haben könnte, wird schon seit langem diskutiert. Vor allem die Vorstellungen von Grünen und Liberalen weichen stark voneinander ab. Die FDP hat so deutlich wie niemand sonst versprochen, dass es keine Steuererhöhungen geben wird, sondern im Gegenteil sogar Entlastungen angekündigt. Die Grünen halten das für utopisch und wollen wenigstens die Besserverdienenden stärker belasten.
Streit beim Thema Klima
In der Klimapolitik ist es kaum besser. Da gehen den Liberalen die Pläne der Grünen deutlich zu weit. Sie fürchten, dass die Wirtschaft unter einem zu radikalen Umsteuern leiden könnte. Selbst bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, wo im Grunde Einigkeit herrscht, beharrt die FDP viel stärker auf den Freiheitsrechten des Einzelnen, insbesondere des Ungeimpften.
Eine mögliche Lösung der inhaltlichen Konflikte könnte so aussehen, dass jeder der drei Partner auf bestimmten Gebieten den Kurs bestimmen darf - also die FDP die Finanzpolitik, die Union die Sicherheits- und Migrationspolitik und die Grünen die Klimapolitik. Wobei die Liberalen damit leben müssten, dass sie (nach derzeitigen Umfragezahlen) der eindeutig kleinste Partner in dem Trio wären.
Christian Lindner hat vor wenigen Wochen ungewohnt deutlich gesagt, was er sich persönlich vorstellt: "Käme es zu einer Jamaika-Koalition, dann würde die FDP Wert darauf legen, den Finanzminister zu stellen. Ein Klima- und Umweltministerium würden dann vermutlich die Grünen beanspruchen." Ein Streit bräche aber vermutlich darüber aus, ob das Klima-Ressort ein Vetorecht bei allen Gesetzesvorhaben hätte, wie es sich die Grünen wünschen.
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