Judenhass in Rap-Szene: Das sagt ein Nürnberger Künstler
22.9.2019, 05:49 UhrGuck mal, der Jude: "Der Titel der Veranstaltung kommt so salopp daher...", leitet Stephan Sohr, Chefredakteur der NZ, seine Moderation mit fragendem Blick zu Diskutant Ben Salomo ein. Der heißt mit bürgerlichem Namen Jonathan Kalmanovich, ist einer der erfolgreichsten Battle-Rapper Deutschlands und kann aus erster Hand berichten, wie Antisemitismus in den vergangenen Jahren immer salonfähiger geworden ist und in der deutschen Rap-Szene grassiert.
Nach heftiger Kritik: Musikpreis "Echo" wird abgeschafft
Ben Salomo ist 1977 in Israel geboren und in Berlin aufgewachsen. Mit auf dem Podium sitzt Matthias Fischbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag und Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus.
Von Kommentaren im Netz bitter enttäuscht
"Guck mal, der Jude" habe es geheißen, als er den Eintrittspreis für eine Veranstaltung von drei auf fünf Euro erhöhen musste, weil er sie anders nicht mehr hätte stemmen können, berichtet Ben Salomo. In dem Satz stecke das Klischee vom geizigen, geld- und raffgierigen Juden. "Die Kommentare mit ihrer Hetze – unter anderem wurden meine Veranstaltungen als ‚Judenveranstaltungen‘ betitelt – haben mich bitter enttäuscht."
20 Jahre lang war Rap für Ben Salomo gelebter Traum. Doch Mitte 2018 hat er seine Battle-Rap-Veranstaltung "Rap am Mittwoch" nach acht Jahren aufgegeben, aus Protest gegen den zunehmenden Antisemitismus in der Rap-Szene und weil er kein Feigenblatt mehr für sie sein und sie zum Nachdenken bringen wollte.
Einnahmen durch Provokationen
Die Rap-Szene habe sich jedoch keinen Millimeter in eine positive Richtung bewegt. Sie sei in weiten Teilen so antisemitisch wie der Rechtsrock. Auch würde die Diskussion insgesamt sehr verkürzt geführt und stark auf Kollegah und Farid Bang fokussiert. Die Rapper hatten trotz ihres antisemitischen Songtextes den "Echo Pop 2018" gewonnen, was zum Eklat und dem Aus des "Echo" führte.
Ermittlungen gegen Kollegah und Farid Bang eingestellt
Nichtsdestotrotz lässt sich, wie Ben Salomo feststellt, mit entsprechenden Provokationen viel Geld verdienen. Seiner Meinung nach wird "entschieden zu wenig darauf geachtet", wie sich Rapper abseits der Bühne im Netz verhalten, ob sie Verschwörungstheorien und alte antisemitische Mythen verbreiten.
Dem Denkmuster "Juden sind alle reich und beherrschen Banken und Medien, ja sogar die ganze Welt" begegnet der Rapper mit der Frage: "Wenn sie wirklich so mächtig sind und waren, warum konnten sie dann die sechs Millionen Juden in Deutschland nicht retten?"
Diskriminierung hat lange Geschichte
Wie ihm persönlich Judenfeindlichkeit begegnet: Ben Salomo könnte Stunden darüber berichten, dabei trägt er weder Kippa, noch lebt er streng nach den Regeln der Tora. Die Diskriminierung der Juden hat eine lange Geschichte und der Davidstern ist keine Erfindung der Nazis, weiß Ben Salomo. Im Mittelalter hätten Juden gelbe Mützen tragen und sich damit der Lächerlichkeit preisgeben müssen, ganz zu schweigen von den sonstigen Schikanen und der Anschuldigung, Mörder Jesu zu sein.
Um Antisemitismus im Deutsch-Rap zurückzudrängen, ist es laut Ben Salomo erforderlich, genauer hinzuhören und Musik mit Hasstexten oder anderen jugendgefährdenden Inhalten, wie die Verherrlichung von Drogenkonsum, Gewalt und Kriminalität, erst ab 18 zugänglich zu machen. Das könne zumindest ein Argument für Eltern sein, das jüngere Kinder davon abhält, diese Musik zu hören. Ben Salomo hat sich zur Aufgabe gemacht, in Schulen mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Politiker Fischbach will im Landtag anregen, dass das Thema "Rap und Antisemitismus" in der Lehrerfortbildung behandelt wird.
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