Kampf um Ministerposten: Der Nebel lichtet sich

4.11.2018, 18:12 Uhr
Vor knapp zwei Wochen gaben sie noch Statements zum Stand der Koalitionsverhandlungen ab, nun steht die Einigung: Ministerpräsident Markus Söder und FW-Vorsitzender Hubert Aiwanger bei einer Pressekonferenz.

© Matthias Balk/dpa Vor knapp zwei Wochen gaben sie noch Statements zum Stand der Koalitionsverhandlungen ab, nun steht die Einigung: Ministerpräsident Markus Söder und FW-Vorsitzender Hubert Aiwanger bei einer Pressekonferenz.

Ist es ein "mutloses Weiter so", wie die SPD-Landesvorsitzende den Koalitionsvertrag zwischen CSU und den Freien Wählern (FW) für Bayern abstempelte, oder ist es ein Aufbruch? Das Wort Aufbruch nahm freilich auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht in den Mund, als er am Sonntag Abend das 80-Seiten-Vertragswerk pries. Ein "reines Weiter so" sei es nicht, sagte er. Also doch ein gutes Stück "Weiter so"?

CSU musste sich in mehreren Punkten bewegen

Das ist es sicher und das ist auch so gewollt, denn Revolutionen starten die Bayern nur, wenn es um wirklich Wichtiges wie zum Beispiel die Biergartengemütlichkeit geht. Für ihre Verhältnisse musste sich die CSU in einigen Punkten aber doch bewegen. Das beginnt von den eingeräumten Korrekturen in Sachen Polizeiaufgabengesetz und Alpenplan und endet bei dem sicher zähneknirschenden Verzicht auf das Kultusressort.

Ansonsten hat die CSU wenig zugestehen müssen, was mit einem Verlust von Zacken aus der Krone gleich zu setzen wäre. An der Strangulierung der Windkraft im Freistaat wird nicht gerüttelt und die Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar pro Tag bleibt lediglich ein "Ziel". Die Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel in die Bayerische Verfassung tut nun wirklich niemandem weh und die großen Linien in der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik werden unverändert fortgeführt.

Gutes Verhandlungsergebnis für den Juniorpartner

Die Freien Wähler haben sich dennoch nicht unter Wert verkauft. Rein zahlenmäßig sind drei Minister und zwei Staatssekretärsposten kein schlechtes Ergebnis für einen Juniorpartner, der nur ein wenig mehr als ein Drittel des CSU-Stimmenpotentials eingebracht hat. Die FW setzten etliche ihrer Leib-und-Magen-Themen um, die weltanschaulich bei der CSU auf keinen Widerstand stießen, sondern nur Geld kosten. Die Einigung in Sachen Familienförderung und zusätzlichem Personal sowie Verzicht auf Gebühren wird die bayerischen Staatsausgaben in den nächsten Jahren um weitere 1,2 Milliarden Euro nach oben treiben. Das kann dann zum Problem werden, wenn die Steuerquellen - wie erwartet - nicht mehr so üppig sprudeln wie bisher, denn auf den ausgeglichenen Haushalt soll natürlich nicht verzichtet werden.

Doch erstmal freuen sich alle Beteiligten über den schönen Koalitionsvertrag. In personeller Hinsicht kam etwas anders als viele Beobachter gemutmaßt hatten: Die CSU verzichtet in der neuen Staatsregierung auf das Kultus- und Umweltressort. Erwartet worden war, dass das Bau- und Verkehrsministerium, das von der für das Amt der Landtagspräsidentin vorgeschlagenen Ilse Aigner freigemacht wird, sowie das Wissenschaftsministerium - bisher geführt von der Quereinsteigerin Marion Kiechle - an die FW abgetreten würden. Zudem hatte man angenommen, dass der FW-Wirtschaftsexperte Thorsten Glauber das entsprechende Ressort führen würde. Jetzt soll er aber Umweltminister werden.

Ressortverteilung lässt Rückschlüsse zu

Ministerpräsident Söder will erst nach seiner Wahl am kommenden Dienstag Informationen über die neuen oder alten CSU-Kabinettsmitglieder nach außen geben. Aber schon die Ressortverteilung zwischen den Partnern lässt schon einige Rückschlüsse zu. Danach steht fest, dass die bisherigen CSU-Minister für Wirtschaft, Umwelt und Kultus, Franz Josef Pschierer (Schwaben), Marcel Huber (Oberbayern) und Bernd Siebler (Niederbayern) entweder neue Aufgaben erhalten oder aus dem Kabinett ausscheiden müssen. Immerhin sind zwei Posten auf jeden Fall frei: Das Ministerium für Bau und Verkehr und ein neu geschaffenes Digitalisierungsministerium, das wahrscheinlich dem bisherigen Staatssekretär Georg Eisenreich anvertraut wird.

Ziemlich sicher ist, dass politisch gewichtige Mitstreiter ihre Posten behalten werden, so Innenminister Joachim Herrmann und Finanzminister Albert Füracker, der seine Zuständigkeit für Landesentwicklung freilich an das künftig von Hubert Aiwanger geführte erweiterte Wirtschaftsministerium abgeben muss, und Staatskanzleiminister Florian Herrmann. Vorläufige Entwarnung gibt es auch für die unterfränkische CSU, die vermutlich nicht auf "ihren" Aschaffenburger Justizminister im Kabinett Söder II verzichten muss. Heftig war im Vorfeld spekuliert worden, dass das Justizressort an die FW abgetreten werden könnte.

Damenriege kann sich sicher fühlen

Auch die Damen im bisherigen Kabinett können sich relativ sicher fühlen. Wenn schon die Freien Wähler zumindest auf Ministerebene ausschließlich mit Herren vertreten sein werden, so kann doch Söder die Frauenriege auf der CSU-Seite des Kabinetts nicht auch noch ausdünnen, zumal mit Ilse Aigner schon eine prominente Vertreterin ausscheidet.  Das könnte vielleicht auch eine Chance für die bisherige Wissenschaftsministerin Marion Kiechle sein, die in den Personalspekulationen immer wieder als Wackelkandidatin aufgeführt wurde, weil die CSU mit ihr doch ziemlich fremdelt. Es sei denn, der bisherige Kultusminister Bernd Sibler wird mit dem Ressort betraut. Groß umziehen müsste er nicht, denn beide Ministerien residieren in demselben Haus.

Und dann gibt es noch das Problem des Regionalproporzes, der für die CSU immer noch eine große Rolle spielt. Der Franke Söder wird es sich auch nicht leisten können, mit Kiechle und Huber gleich zwei Oberbayern den Stuhl vor die Kabinettstür zu setzen nachdem die oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende Ilse Aigner ohnehin schon ausscheidet. Und CSU-Staatssekretäre, die in Bayern stimmberechtigte Mitglieder des Ministerrats sind, wird es kaum noch geben, denn die Zahl der Kabinettsmitglieder ist durch die Verfassung auf 17 beschränkt. Das Tüfteln an der personalpolitischen Quadratur des Kreises bleibt Söder wie seinen Vorgängern nicht erspart.

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