Neues Buch
Klimakrise: Nürnberger Sozialethiker Jörg Alt sieht "Mehrheiten für radikalen Umbau"
18.8.2021, 06:28 UhrEinen ganzen Roman hat der US-Schriftsteller Richard Powers den Bäumen gewidmet, "Die Wurzeln des Lebens" heißt das Werk. Darin findet sich ein bemerkenswerter Satz: "Wir können noch so gute Argumente haben, damit ändern wir die Einstellung der anderen nicht", schreibt Powers. "Das Einzige, was so etwas kann, ist eine gute Geschichte.“ Ein Satz wie gemacht, um zu erklären, warum die Menschheit rational längst weiß, was die Klimakrise anrichtet - und doch nicht handelt.
Zahlen, Fakten und Daten, sie alleine reichen nicht für ein echtes Umdenken, es braucht eine große, eine neue Erzählung - diese Grundüberzeugung vertritt der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt in einem neuen, seinem zwölften Buch. Erzählungen aus unserer Kindheit seien es, die in uns weiterlebten, unbewusst auf unser Denken und Handeln wirkten, "so selbstverständlich, dass man sie nicht mehr hinterfragt", erklärt der 59-Jährige.
Das Problem: Die vorherrschende Erzählung sei die des Neoliberalismus, "seit 60 Jahren sitzen wir ihr auf", sagt Alt. Nur wer das einmal verstanden habe, könne beispielsweise erklären, warum selbst manche armen Menschen gegen eine Vermögensteuer seien - weil in ihnen die (laut Alt: falsche) Überzeugung sei, eine solche Steuer werde nur Arbeitsplätze kosten.
Alternative Werte gefordert
"Wir müssen die Erzählung des Neoliberalismus ersetzen durch eine alternative Erzählung, mit alternativen Werten", fordert der Sozialethiker. Konsum und Materialismus müssten entkoppelt werden von der Vorstellung eines glücklichen Lebens.
Was hochtrabend klingt, sieht Alt längst angekommen bei den Menschen - er verweist auf Umfragen, die zeigen, was den Deutschen im Leben wichtig ist (Freunde, Familie) und wie sie sich die Gesellschaft wünschen (egalitär, nachhaltig). "Es gibt Mehrheiten für einen radikalen Umbau der Gesellschaft", sagt Alt. Dass der Wunsch nach einer intakten Umwelt in den Hintergrund rückt, wenn konkrete Schritte dazu mit Einschnitten in den eigenen Lebensstil verbunden sind, erklärt der Jesuit mit einem "Vermittlungsproblem". Ursache hierfür: das nach wie vor wirkmächtige Narrativ des Neoliberalismus.
Fridays for Future wollen sozial-ökologische Transformation
"Viele Menschen gehen davon aus, dass der Umbau zu Klimagerechtigkeit auf ihren Schultern lasten wird, aber genau das ist eben nicht der Kern der sozial-ökologischen Transformation", ergänzt Fabia Klein, die aus Nürnberg stammende Sprecherin von Fridays for Future Deutschland. Die Klimabewegung unterstützt Alts Forderung vom "Einfach anfangen!" - so auch der Titel des Buches.
Alt weiß, dass die Zukunft des Planeten auch im fernen Washington und in Peking entschieden wird, er will deshalb "das Machbare machen", wie er es formuliert. "Wir haben eine Verantwortung für die Kommune, in der wir leben, für Deutschland und Europa." Alt fordert: ein Ende der fossilen Subventionen, einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, ein Tempolimit auf Autobahnen und höhere CO2-Steuern - samt sozialem Ausgleich. Die Coronakrise zeige, dass Geld genug da sei. "Wir haben Geld in Hülle und Fülle."
Die "katholisch brave Zuhörerschaft" aufrütteln
Seine Zuversicht zieht der 59-Jährige, der mit seinem Buch auch die "katholisch brave Zuhörerschaft" aufrütteln will, aus seinem christlichen Glauben. Der Jesuit sagt: "Es lohnt sich, für eine Überzeugung einzutreten. Es bewegt sich immer etwas, auch wenn man es manchmal nicht sieht." Nur müsse man eben: einfach anfangen.
Jörg Alt: Einfach anfangen! Bausteine für eine gerechtere und nachhaltigere Welt. Vier-Türme-Verlag, 175 Seiten, 18 Euro.
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