Kommentar: Hambacher Forst als Opfer falscher Politik

Dieter Schwab

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14.9.2018, 09:51 Uhr
Polizisten bringen bei der Räumungsaktion im Hambacher Forst einen Aktivisten zu einem Einsatzwagen.

© Henning Kaiser/dpa Polizisten bringen bei der Räumungsaktion im Hambacher Forst einen Aktivisten zu einem Einsatzwagen.

Die Sympathien dürfen ruhig den Aktivisten gehören, die die Rodung des Hambacher Forsts blockieren  - jedenfalls, sofern sie keine Gewalt anwenden. Denn die Ausweitung des Tagebaues ist jedenfalls umweltpolitisch völlig unsinnig: Braunkohle ist ein extrem schmutziger Energieträger, der erheblich zum Treibhauseffekt beiträgt. Will Deutschland die selbstgesteckten Klimaziele wenigstens bis 2030 erreichen, müssen diese Kraftwerke schnellstmöglich stillgelegt werden.

Doch die juristische Situation und die wirtschaftlichen Interessen des Energieriesen RWE stehen einer solchen vernünftigen Lösung diametral entgegen. Die Abholzung der Bäume und die Ausweitung des Tagebaues sind juristisch wasserdicht genehmigt. Und RWE hat das wirtschaftliche Interesse, aus seinen alten Meilern noch möglichst viel Gewinn herauszupressen. Dieses Geld müsste ihm der Staat ersetzen, um einen Stopp doch noch zu erreichen. Das wären dann zwei-, vielleicht sogar dreistellige Millionensummen: Viel Geld für ein vergleichsweise kleines Stück Wald.

Schweren Herzens muss man anerkennen: Die Polizei ist im Recht, wenn sie räumt. Und die RWE, wenn sie erst rodet und dann baggert. So sind die Regeln eines Rechtsstaats.

Versäumnisse der Politik

Die Fehler wurden auf politischer Ebene gemacht - und es sind schwere Versäumnisse. Seit mindestens einem Jahrzehnt ist bekannt, dass die Bundesrepublik ihre Kohlendioxid-Emissionen nicht im angestrebten Maße verringern kann, wenn die dreckigen Braunkohlekraftwerke weiterlaufen. Doch keine der an den Regierungen beteiligten Parteien  - Union, Sozialdemokraten und Liberale - hatten ein Interesse daran, diesen Prozess zu organisieren. Kanzlerin Angela Merklel schwieg vornehm. Passiert ist deshalb: nichts.

Denn es drohten gewaltige Widerstände: Da sind die Kraftwerksbetreiber, die auf hohe Gewinne hoffen. Die Landesregierungen der besonders betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen, die den Verlust von Arbeitsplätzen fürchten. Und die mächtige Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, aus dem gleichen Grund.

Die jetzige Koalition hat immerhin eine Kommission eingesetzt, die den Ausstieg regeln soll. Bisher hat sie allerdings noch nicht einmal mit der Arbeit richtig begonnen. Dabei müsste sie schnell umsetzbare Ergebnisse vorlegen, damit der Ausstieg aus der Braunkohle schnell beginnen und zügig beendet werden kann.

Sicher ist das allerdings nicht. Es kann also durchaus weitere Konflikte um die Ausweitung von Braunkohlerevieren geben - wider alle Vernunft.

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