Kommentar: Markus Söder, der Klimaretter
6.8.2019, 07:12 UhrWandlungsfähig war Markus Söder schon immer. Geschadet hat ihm der von Kritikern attestierte Wankelmut nie – mit den Ämtern des Ministerpräsidenten und des CSU-Vorsitzenden hat er alles erreicht, was ein Christsozialer erreichen kann. Vielleicht ist es die Sicherheit dieser Machtfülle, die Söder plötzlich zum obersten Klimaschützer werden hat lassen. Ganz fremd ist ihm das Thema ohnehin nicht.
Immerhin war der Nürnberger mal bayerischer Umweltminister. Der Umbau des Wöhrder Sees hat seinerzeit gedanklich Fahrt aufgenommen. Und doch ist es dem 52-Jährigen auch dieses Mal gelungen, alle Beobachter zu überraschen: Mit einer Konsequenz, die selbst manchem Grünen Respekt abnötigt, setzt Söder auf die ökologische Karte.
Irres Tempo
Den Klimaschutz will er ins Grundgesetz aufnehmen, die Plastiktüten in Deutschland verbieten, aus der Kohle früher als vereinbart aussteigen, und, und, und. Die Liste hat kein Ende und beinahe täglich kommen neue Ankündigungen dazu. Taten hat er den Worten zumindest in Bayern schon folgen lassen: Das erfolgreiche Volksbegehren "Rettet die Bienen" griff Söder zum Entsetzen der einst so mächtigen Agrarfraktion in den eigenen Reihen so beherzt auf, dass der Freistaat sich mittlerweile der wohl weitreichendsten Naturschutzgesetzgebung innerhalb Deutschlands rühmen darf. Die dafür noch benötigten Blühstreifen würde Söder am liebsten alle selbst aussäen.
Dazu kommt eine Forschungs- und Innovationsoffensive, deren jüngster Ausfluss das künftige Wasserstoffzentrum Nürnberg darstellt. Es ist ein irres Tempo, das der Mann geht.
Söder im Interview: "Wir spüren alle den Klimawandel"
Was er damit erreichen möchte, liegt auf der Hand. Söder will den Grünen den Wind, der sie seit Monaten auf Erfolgskurs hält, aus den Segeln nehmen. Seine Taktik, um dies zu erreichen, lautet: So viel Ökologie wie möglich, allerdings stets mit Blick auf die ökonomischen Folgen. Weil die Grünen darauf zu wenig achten, wie er nicht müde wird zu betonen.
Söder geht hohes Risiko
Wenn einer seiner Christsozialen dem Tempo nicht folgen kann und aufheult, was derzeit täglich passiert, bekommt er als Antwort ein Argument zu hören, das keinen Widerspruch duldet: Die Schöpfung bewahren, das war schon immer unser Ziel.
Söder geht hohes Risiko mit seinem Kurs. Vor allem innerparteilich, aber auch aus Teilen der CDU droht ihm scharfer Gegenwind. Er weiß das und es ficht ihn trotzdem nicht an.
Einerseits weil er schon immer streitbar war und nun eben für den Klimaschutz kämpft. Andererseits, weil die Umfrageergebnisse seinen Kurswechsel stützen – so beliebt war Söder national noch nie. Sogar den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck hat er überholt. Söder hat ganz offenbar in und mit den Ämtern an Statur gewonnen. Seine Wandlung zum Klimakrisen-Manager ist bemerkenswert
und respektabel.
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