Kommentar: War das Merkels letzte Warnung?

Alexander Jungkunz

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18.3.2020, 19:21 Uhr
Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich am Mittwochabend in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung.

© UTA TOCHTERMANN, AFP Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich am Mittwochabend in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung.

Das waren die Kernsätze dieser Rede: "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst": Angela Merkel richtete einen vielleicht letzten, im Ton beschwörenden bis flehentlichen Appell an die Vernunft der Menschen in Deutschland: Reißt Euch zusammen, auch wenn es schwerfällt - so lässt sich zusammenfassen, was die Kanzlerin anmahnt. Und so vielleicht den nächsten, den drastischsten von vielen schon sehr drastischen Schritten zu intonieren – die Ausgangssperre.

Andere Staaten praktizieren dies schon. Und bisher war es stets so, dass wir nachholten, was etwa Frankreich oder Österreich vormachten. Möglich, dass dies auch nun wieder so kommt. Dass eine Ausgangssperre bundesweit angeordnet wird, wie sie nun schon in manchen Orten gilt.

Egomanische Mitmenschen

Sie könnte dann das letzte Mittel sein, wenn sich manche Mitmenschen eben nicht als Mitmenschen verhalten, sondern weiter so, wie es zu viele gewohnt sind: rücksichtslos und egoistisch bis egomanisch. Corona-Partys, Feten im (zugegeben sehr schön sonnigen) Freien mit Körpernähe, aber auch manch 80-Jähriger, der sich nun empört und "diskriminiert durch Kontakverbote" sieht – das sind genau jene Risiken, die aktuell eben tunlichst niemand sich und vor allem anderen zumuten sollte, damit jene dramatische Wette aufgeht, auf die sich die halbe Welt nun eingelassen hat.

Die Wette lautet: Schaffen wir es, die Verbreitung des Virus durch Disziplin und eben möglichst viel soziale Distanz bis hin zur Isolation derart zu verlangsamen, dass es keinen Kollaps des Gesundheitssystems durch zu viele gleichzeitig Erkrankte gibt? Dass die Kurve der Infizierten nicht sehr rasch sehr steil steigt, sondern einen sanfteren, aber auch längeren Bogen darstellt?

Je disziplinierter, desto länger dauert der Stillstand

Eine Wette, die Leben retten und die Gesellschaft stabilieren kann. Die allerdings zwangsläufig dazu führt, dass der Stillstand nicht nur dieses Landes noch etliche Wochen, eher Monate dauern dürfte. Denn nur dann steigen die Infizierten-Zahlen weniger stark. Die Wette ist daher auch eine gewaltige Gedulds- und Nervenprobe. Halten wir sie aus, sind wir reif genug dazu? Das ist die Frage, die Angela Merkel indirekt gestellt hat.


+++ Die Merkel-Rede im Worlaut +++


Viel zu selten tat sie das, wozu sie sich nun angesichts der "größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg" gezwungen sah: die Politik ihrer Regierung zu erklären. Das muss sie nun, weil in der Tat Rechte (bei einer Ausgangssperre auch Grundrechte) massiv eingeschränkt werden. Wenn Handy-Spuren verfolgt werden, um zu prüfen, wer wie von seiner Bewegungsfreiheit Gebrauch macht: Es herrscht rechtlich prekärer Ausnahmezustand – auf Zeit.


Merkels flammender Appell: "Nehmen Sie es ernst!"


Übles Geraune

Verschwörungstheoretiker sehen da übrigens natürlich schon die üblichen dunklen Mächte (mit Angela Merkel an der Spitze) am Werk: Das Virus sei Mittel zum Zweck der Abschaffung der Nation, des Bargelds, für eine Währungsreform und eine rigiden Kontrolle der Bürger von oben. Diejenigen, die so klagen, sind in der Regel oft dieselben, die vor der Krise nach genau dem starken Staat riefen, den sie nun empört attackieren, wenn er diese Rolle vorübergehend einnehmen muss. Es sind auch solche Stimmen der Unvernunft, die über Panikmache klagen, sie aber selbst kräftig befeuern.


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