Kommentar zu neuer Studie: Die Bildungspolitik ist verheerend

Kathrin Walther

Ressort Kinder, Familie und Bildung

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20.4.2021, 14:29 Uhr
Wie viel Gelerntes bleibt im Homeschooling wirklich hängen? Leistungserhebungen gibt es nicht, die Daten basieren auf subjektiven Einschätzungen der Eltern. 

© Jana Schneeberg Wie viel Gelerntes bleibt im Homeschooling wirklich hängen? Leistungserhebungen gibt es nicht, die Daten basieren auf subjektiven Einschätzungen der Eltern. 

Haben Sie, sollten sie schulpflichtige Kinder haben, sich schon gefragt: Wie würde mein Kind wohl in Mathe, Deutsch oder Englisch abschneiden, würde jetzt eine Schulaufgabe geschrieben werden? Und verspüren Sie beim Gedanken an diese Frage auch ein ungutes Gefühl? Das sie vermutlich mit ihrem Kind und den Lehrkräften teilen?


Mehr über die ifo-Befragung lesen Sie hier


Das Ergebnis der ifo-Befragung trägt nicht unbedingt dazu bei, dieses Gefühl abzuschwächen. Im Gegenteil: Kinder und Jugendliche beschäftigen sich seit Wochen viel weniger mit schulischen Tätigkeiten und mehr mit passivem Bildschirmkonsum; lediglich 26 Prozent haben täglich gemeinsam Unterricht mit der Klasse, 39 Prozent nur einmal in der Woche; und vor allem die Leistungsschwachen und Nicht-Akademiker-Kinder haben deutlich weniger effektiv und konzentriert gelernt.

Professor Ludger Wößmann, der Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomie, hätte das Studien-Ergebnis nicht pointierter zusammenfassen können: "Stillstand bedeutet Rückstand."

Was das bedeutet, können Lehrkräfte nach der langen Sommerferienpause jedes Schuljahr aufs Neue bestätigen. Denn dann müssen sie erst einmal Energie darauf verwenden, ihre Schülerinnen und Schüler zurück auf Stand sowie in die Lernspur zu bringen. Und jetzt, nach monatelanger Intervall-Beschulung, emotionaler Überlastung und sozialem Entzug? Nach dem Wegfallen von allen vertrauten Strukturen?

Dazu gibt es aus den Niederlanden Daten, denn dort werden Leistungen standardmäßig am Anfang eines Schuljahres auf nationaler Ebene erhoben. Das Ergebnis nach dem ersten Lockdown: Die Schülerinnen und Schüler haben 20 Prozent schlechter abgeschnitten. Das entspricht fast exakt der Zeit, in der die Schulen dort geschlossen waren, nämlich vom 16. März bis 6. April 2020, also 22 Tage.

Warum gibt es keine Leistungserhebungen?

Natürlich kann dieses Ergebnis nicht linear auf die Schulschließzeiten in Deutschland übertragen werden - einen Anhaltspunkt liefert es aber durchaus. Vor allem auf die Frage: Warum gab und gibt es bei uns keine allgemeine Leistungsstanderhebung, die zeigt, auf welchem Stand unsere Kinder sind? Gibt es dafür nicht sogar eine Einrichtung, nämlich das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen mit Sitz in Berlin?


Das halten Lehrerverbände von der neuen Notbremse


Es läuft einfach alles schief und krumm im Schulbereich, und das müssen sich die Ministerpräsidenten und ihre Kultusminister ankreiden lassen. Es ist ihr Job und nicht der von Schulen, für klare Verwaltungsstrukturen zu sorgen, mit denen Lehrkräfte arbeiten, Eltern planen und an denen sich Kinder orientieren können. Und diese Strukturen müssen notwendig einheitlich sein.

Das Ergebnis der ifo-Studie ist ein verheerendes Zeugnis für die Bildungspolitik der Länder. Mit Verlaub, sehr geehrte gewählte Volksvertreter und -vertreterinnen, reißen Sie sich zusammen und finden Lösungen. Wir haben schon verdammt viel Zeit verloren - die föderalistische Besserwisserei auf Kosten unser Kinder und unserer Zukunft können wir uns nicht mehr leisten.

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