Gespräche zwischen FDP und Grünen

Kommentar zu Sondierungsgesprächen: Trügerische Euphorie

29.9.2021, 14:21 Uhr
Schnell noch ein Selfie: Volker Wissing (v.li.), Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck dokumentieren ihre Vorsondierungen.

© VOLKER WISSING, AFP Schnell noch ein Selfie: Volker Wissing (v.li.), Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck dokumentieren ihre Vorsondierungen.

FDP und Grüne können es offenbar kaum erwarten, gemeinsam die Bundesregierung zu bilden - wer unter ihnen Kanzler ist, scheint Christian Lindner, Volker Wissing, Annalena Baerbock und Robert Habeck nur beiläufig zu interessieren. Das erste Treffen wurde jedenfalls noch schneller terminiert als allgemein erwartet worden war, und die Öffentlichkeit eilfertig davon zu unterrichten wurde ebenfalls nicht vergessen.

So geht Regierungsbildung heute, da die eigentlich für diese Rolle vorgesehenen Vertreter der (einstmaligen?) Volksparteien auf zwei andere Partner angewiesen sind. Doch bei aller Euphorie, die dem gelb-grünen Zauber nach der Wahl nun anhängt, ist zu fragen, ob und wie die Programmatik der beiden Parteien eigentlich kompatibel sind.

FDP und Grüne wollen Gestalter sein

Was FDP und Grüne eint, ist der selbstformulierte Anspruch, Treiber und Gestalter eines gesellschaftlichen Veränderungsprozesses sein zu wollen, der nicht als Gefahr sondern als Chance begriffen wird. Dazu kommt der in der Berliner Politikblase gepflegte Hautgout, als Konzeptparteien Avantgarde sein zu wollen und nicht dröges Mittelmaß, das den als altbacken empfundenen Volksparteien anhängt. Und tatsächlich gibt es bei beiden programmatische Inhalte, die gut zusammenpassen.

So sieht es unser Karikaturist Jürgen Tomicek

So sieht es unser Karikaturist Jürgen Tomicek © Jürgen Tomicek, NNZ

Etwa bei der Zuwanderung: Sowohl FDP als auch Grüne wollen, dass die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert wird, wobei die Grünen hier noch weitergehen und die Qualifikation nicht zu hoch hängen wollen. Beide Parteien treten für eine "offene und liberale" Gesellschaft ein, die die "Ehe für alle" ermöglicht; sie wollen das Wahlalter auf 16 Jahre senken und Cannabis kontrolliert freigeben. Datenschutz und Bürgerrechte halten beide ebenfalls hoch. Und: FDP und Grüne sind die Parteien, die bei dieser Bundestagswahl für die Erstwähler und jüngeren Generationen am attraktivsten waren. Das gibt für die Verhandlung von Zukunftsfragen, die ja auch SPD und Union als ihr Anliegen proklamierten, argumentativen Rückenwind.

Problembereich Wirtschafts- und Finanzpolitik

Schwierig wird es zwischen FDP und Grünen allerdings in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die FDP hält Steuererhöhungen aller Art für Gift, die Grünen wollen die Abgaben für Wohlhabende und Unternehmen erhöhen; die FDP will, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse für staatliche Investitionen so schnell wie möglich wieder gilt, die Grünen wollen sie lockerer handhaben, damit Staatsausgaben erleichtert werden. Und beim Klimaschutz setzt die FDP auf den CO2-Zertifikatehandel und technologischen Fortschritt, die Grünen auf weitergehende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, genannt sei das vielzitierte Verbot für Verbrennungsmotoren ab 2030.

Es braucht also schon einen sehr deutlichen Willen zum Kompromiss, damit beide Parteien zusammenkommen können. Der Wille, gemeinsam in eine Bundesregierung einzutreten, wird sicher noch einer echten Belastungsprobe ausgesetzt werden.

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