Kommentar zum CSU-Parteitag: Revolte nur im Mini-Format
26.9.2020, 17:29 UhrEine Revolte wie es sie beim letzten großen Präsenz-Parteitag gegen die Gleichstellungspläne des Vorstands gab, ist auch schwierig, wenn die potentiellen Revolutionäre vor Laptops und Tablets sitzen.
Mehrheitlich trauten sich die CSU-Delegierten nicht, ein Zeichen gegen das "überspannte Sprachgehabe" zu setzen, wie Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Genderisierung der Sprache mit Sternchen, großem "I" und anderen rechtschreibwidrigen Kniffen kritisierte. Entsprechende Anträge wurden an die CSU-Landtagsfraktion und die CSU-Bundestagsgruppe verwiesen. Parteigänger wissen, was das bedeutet: Aus den Augen, aus dem Sinn. Immerhin sollen die Supermärkte verpflichtet werden, Kunden-WCs einzurichten - und zwar gegen den Willen der Antragskommission: Eine Revolte im Mini-Format, befeuert vor allem von den Müttern in der CSU.
Virtueller CSU-Parteitag: Söder bekräftigt Absage an Kanzlerkandidatur
Auch diesmal war es alles andere als eine Parteitagsrede, die Vorsitzender Markus Söder aus seinem Büro in der Münchener CSU-Landesleitung ablieferte. Hinter ihm eine weiß-blaue CSU-Fahne und ein schlichtes Kreuz an der Wand, vor ihm eine "Game of Throne"-Tasse mit der düsteren Prophezeiung "Winter is coming" - alles sorgsam komponiert, wie man annehmen darf. Es hätte eigentlich nur noch eine Kerze auf dem Schreibtisch gebraucht, um Söders nachdenkliche Ansprache als etwas längliches Wort zum Samstag senden zu können. Natürlich wäre es albern gewesen, wenn Söder so getan hätte, als hätte er tausendköpfiges Publikum vor sich, das er in Begeisterung versetzen müsste.
Söder wiederholte überwiegend Bekanntes zu Corona, setzte aber schon ein paar neue Akzente. So könnte er womöglich seine Forderung nach einer Absatzförderung für Autos mit Verbrennungsmotor mit der Bereitschaft zuckern, einen Schlusstermin für die Neuzulassung von Pkw mit fossilen Verbrennungsmotoren festzulegen. Mit seiner Ankündigung, die Reichskriegsflagge in Bayern zu verbieten (soweit das rechtlich möglich ist), kann er allerdings keine Urheberschaft in Anspruch nehmen.
Kommentar: Söders Pokern bei der Kanzler-Kandidatur ist Taktik
Was aber hindert Söder an der Formulierung "Ich werde nicht für das Amt des Bundeskanzlers kandidieren"? Man weiß es nicht und darf daher weiter spekulieren. Seine wiederholte Ansage, er werde "in Bayern" bleiben, ist nicht dasselbe. Ist nicht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) Bürgerin von Mecklenburg-Vorpommern geblieben sowie wie Helmut Kohl Einwohner von Rheinland-Pfalz war? Söder betonte, jeder der drei Bewerber um den CDU-Vorsitz sei "großartig". Wenn sich die CSU für einen der Herren entscheidet, was kann dann die CSU anderes tun als diese Entscheidung abzunicken, wenn sie selbst keinen personellen Vorschlag macht? Kein Thema für einen CSU-Parteitag, schon gar nicht für einen virtuellen. Wahrscheinlich waren die meisten froh darüber.
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