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Es sind weniger als 100 Tage bis zur Bundestagswahl und die Parteien sind endlich startbereit - mit Spitzenkandidaten und Programmen. Heuer wird es so spannend wie schon lange nicht mehr, kommentiert der Berliner NN-Korrespondent Harald Baumer.
Weit über ein Jahrzehnt lang brauchte die Union eigentlich kein Wahlprogramm. Sie legte zwar immer eines vor, aber das war nicht mehr als eine Pflichtübung. Das „Wahlprogramm“ der Konservativen hieß schlicht Angela Merkel. Die Kanzlerin war in den Augen vieler Bürger die Garantin dafür, dass es CDU und CSU schon irgendwie richten würden.
Diese Theorieverachtung erreichte ihren Gipfel in dem Wahlslogan „Sie kennen mich“, mit dem Merkel für sich warb. Das sollte mit drei Wörtern in kürzester denkbarer Form nichts anderes ausdrücken als: Wozu muss ich Ihnen überhaupt noch Gründe aufzählen, warum sie mich wählen sollen? Könnten wir uns das nicht sparen?
So einfach funktioniert das heuer nicht mehr. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Die Union verfügt nicht über einen Kanzlerkandidaten, hinter dessen Erscheinung alle inhaltlichen Debatten verblassen. Armin Laschet muss den Bürgerinnen und Bürgern schon mitteilen, was er als Regierungschef alles unternehmen will. Ein Markus Söder hätte vermutlich das Programm eher in den Hintergrund rücken lassen, weil er von Freunden und Konkurrenten sehr stark als Persönlichkeit wahrgenommen worden wäre.
Zeit für Vergleiche
Aber es muss ja gar nicht schlecht sein, wenn wir in Deutschland nach einer 16 Jahre währenden Kanzlerinnenschaft auch mal wieder etwas mehr über die Inhalte und weniger über den Spitzenkandidaten reden. Zum Beispiel über die Ausweitung der Mütterrente, den Klimaschutz und die Finanzierung der Pandemie-Milliarden. CDU und CSU sind nun viel besser vergleichbar mit den anderen Parteien, die sich ja ebenfalls nicht ausschließlich über eine Person definieren.
Auch aus einem anderen Grund ist das Wahlprogramm der Union heuer wichtiger als sonst. Momentan ist ganz schwer abzuschätzen, wer ab Herbst regieren wird. Im Gespräch sind die Kombinationen Union/Grüne, Union/SPD/FDP, Grüne/SPD/FDP, Union/Grüne/FDP und Grüne/SPD/Linke. Da lohnt sich durchaus ein Blick darauf, was denn der größte gemeinsame Nenner der jeweiligen Koalitionen sein könnte.
Man muss nur einen Blick auf diese denkbaren Regierungskonstellationen werfen, um zu erkennen: Die Klimapolitik wird noch einmal einen deutlichen Schub erfahren, da die Grünen so gut wie sicher am Kabinettstisch sitzen. Auch um eine Steuerfinanzierung der Corona-Kosten wird man nicht herumkommen, da dies nur eine Partei (die FDP) kategorisch ablehnt und die sich vermutlich nicht damit durchsetzen kann.
Schön ist es, dass nun - weniger als 100 Tage vor dem Wahltag - endlich alle relevanten Programme vorliegen werden. Dank des Internets sind sie auch ohne großen Aufwand verfügbar. Da bleibt Zeit genug zum Lesen - zumindest für diejenigen, die nicht nur in den Sitcom-Kategorien Armin, Annalena und Olaf denken.
Am 26. September war die Bundestagswahl 2021. Alle Ergebnisse - regional und landesweit - sowie weitere Entwicklungen rund um die Koalitionsbildung finden Sie auf nordbayern.de/bundestagswahl.