Kommentar zur Pkw-Maut: Niederlage mit Ansage für die CSU

Dieter Schwab

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18.6.2019, 09:50 Uhr

Die Pkw-Maut war ja, daran muss man sich erinnern, kein Projekt der Großen Koalition. Die CSU hat es ihrer Schwesterpartei und der SPD aufgedrängt, weil sie anders keine Koalition eingehen wollte. Es war noch die Zeit, als der mittlerweile auf höchstens Normalmaß gestutzte damalige Parteichef Horst Seehofer vor Kraft kaum laufen und sich solche Nummern leisten konnte. Wie übrigens eine Legislaturperiode davor das Familiengeld, das vor dem Bundesverfassungsgericht kläglich scheiterte.

Die Lernfähigkeit der CSU-Landesleitung tendierte allerdings gegen Null; sie wollte einfach nicht einsehen, dass eine "Ausländer-Maut" (wie das Projekt in der Anfangszeit noch verräterisch hieß) gegen das Diskriminierungsverbot in der EU verstieß. Das schreibt: Alle Bürger müssen gleich behandelt werden, egal, ob sie In- oder Ausländer sind. Die Pkw-Maut, wie das Projekt aus taktischen Gründen umgetauft wurde, sollten aber letztlich nur ausländische Fahrer zahlen. Zwar sollte das mit zugegeben sehr raffinierten juristischen Feinheiten verschleiert werden, was aber am Kern des Vorhabens nichts änderte. Die CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt und jetzt Andreas Scheuer, die erreichen sollten, was nicht zu erreichen war, konnten einem leid tun.

Mit gewaltigem Druck versuchte die Regierung das Vorhaben in Brüssel durchzusetzen: So erstaunte es durchaus, dass die Kommission das Konstrukt mit kleinen Änderungen passieren ließ. Und dass selbst der Generalanwalt der EU dem Vorhaben seinen Segen gab, obwohl es so durchschaubar war.

Erst die Richter zogen jetzt die Reißleine - und das spricht Bände, denn in der großen Mehrzahl ihrer Entscheidungen pflegen sie dem Generalanwalt zu folgen. Offensichtlich fanden sie den Mut, sich mit der mächtigen deutschen Regierung anzulegen - ein Mut, den ihr zuarbeitender Juristenkollege nicht hatte.


EuGH: Deutsche Pkw-Maut verstößt gegen EU-Recht


Das ist deshalb ein gutes Urteil für Europa - daran ändert auch der Fakt nichts, dass Deutsche in Frankreich, Italien und Österreich Straßengebühren bezahlen müssen und das andersherum nicht der Fall ist. Denn das mag zwar bedauerlich sein, aber diese Abgaben müssen von In- wie Ausländern gleichermaßen geleistet werden - sie sind also frei von jeder Diskriminierung.

Der Richterspruch erspart auch den deutschen Autofahrern weitere Belastungen - denn die Verkehrsminister in Ländern wie Belgien oder den Niederlanden, in denen bisher keine Maut verlangt wird, saßen bereits in den Startlöchern, um ähnliche Konzepte wie die CSU durchzusetzen.

Jetzt ist ein Stolperstein aus dem Weg geräumt, um ein europäisches Mammutprojekt umzusetzen: eine gemeinsame, streckenbezogene Autobahn-Gebühr, die damit Vielfahrer mehr belastet als nur gelegentlich Reisende. Das wird zwar, realistisch betrachtet, noch Jahre dauern - aber es dient dem Klimaschutz und stellt die auf europäischen Schnellstraßen bisher durchaus vermisste Gerechtigkeit her. Verkehrsminister Andreas Scheuer kann sich hier jetzt endlich sinnvoll einbringen.

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