Russische Invasion
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
8.7.2022, 20:55 UhrIm Ukraine-Krieg wird der Ton zwischen Russland und dem Westen noch schriller. Nach neuen Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin verließ sein Außenminister Sergej Lawrow ein G20-Treffen am Freitag auf Bali vorzeitig. Moskau zeige "keinen Millimeter Gesprächsbereitschaft", kritisierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.
In Berlin fasste der Bundestag weitreichende Beschlüsse als unmittelbare Folge des Kriegs: Er billigte den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens. Und er stimmte wegen der Gaskrise für mehr Nutzung von Kohlekraft.
Putin: "Noch nichts Ernsthaftes begonnen"
Nach 135 Tagen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine warnte Putin den Westen abermals vor einer direkten militärischen Konfrontation. "Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld schlagen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es nur versuchen", sagte Putin in Moskau. Er warf dem Westen vor, "bis zum letzten Ukrainer" kämpfen zu wollen. Sein Sprecher Dmitri Peskow legte am Freitag nach: Das militärische Potenzial Russlands sei riesig und werde bisher nur zum kleinen Teil eingesetzt, sagte er laut Agentur Interfax.
Putin hatte mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine gesagt: "Jeder sollte wissen, dass wir im Großen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben." Zugleich versicherte er, Moskau lehne Friedensverhandlungen nicht ab.
Lawrow: "Mit dem Westen nichts zu besprechen"
Einen Gesprächsfaden fanden westliche Politiker mit Lawrow aber nicht beim Außenministertreffen der 20 größten Wirtschaftsmächte auf Bali. Der russische Außenminister verließ bei der Konferenz den Saal gleich nach seiner Rede und wich seinen Kritikern damit aus.
Anschließend warf Lawrow dem Westen vor, den Übergang zu einer friedlichen Lösung in der Ukraine zu verhindern. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, "dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen", sagte er. Baerbock warf ihm Gesprächsverweigerung vor.
Ukraine kritisiert "primitive Propaganda"
Die Ukraine ist ohnehin erbost über die russischen Einlassungen. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak warf Putin "primitive Propaganda" vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte abermals vom Westen weitere Waffenlieferungen. "Je größer die Verteidigungshilfe für die Ukraine jetzt ist, desto eher wird der Krieg mit unserem Sieg enden und desto geringer werden die Verluste aller Länder der Welt sein", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.
Militärisch steht die Ukraine vor allem in der Region Donezk im Osten unter großem Druck. Am Freitag meldete das ukrainische Militär allerdings erfolgreiche Angriffe auf Ziele in den von russischen Truppen kontrollierten Gebieten. Selenskyj reiste in die Nähe der Front und verlieh Orden an Soldaten.
Prorussische Separatisten ermöglichen Todesstrafe
Die prorussischen Separatisten haben in Donezk den Weg für die Hinrichtung von drei zum Tode verurteilten Ausländern frei gemacht. Ein Moratorium zur Vollstreckung der Todesstrafe wurde am Freitag von dem international nicht anerkannten Parlament der abtrünnigen Region aufgehoben.
Das Moratorium, also das Aussetzen der Todesstrafe, hätte aufgrund einer zum 1. Juli in Kraft getretenen neuen Strafprozessordnung eigentlich noch bis 2025 gegolten. Die Möglichkeit der Vollstreckung der Todesstrafe diene zur Abschreckung bei Schwerstverbrechen, hieß es auf der Parlamentsseite.
USA kündigen Militärhilfe über 400 Millionen Dollar an
Die USA wollen die Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen im Wert von rund 400 Millionen US-Dollar unterstützen. Zu dem neuen Paket gehören vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, 1000 hochpräzise 155-Millimeter-Artilleriegeschosse, Radargeräte zur Artillerieaufklärung und Ersatzteile, wie eine hochrangige Vertreterin des US-Verteidigungsministeriums am Freitag sagte.
Mit den neuen Raketenwerfern verfügen die ukrainischen Streitkräfte dann über zwölf Himars-Systeme. Angaben des russischen Militärs, zwei Exemplare zerstört zu haben, wies die Pentagon-Vertreterin zurück. Alle an die Ukraine gelieferten Himars seien weiterhin im Einsatz. Bislang haben die USA der Ukraine seit Kriegsbeginn Ende Februar damit nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 7,3 Milliarden US-Dollar zugesagt oder bereits geliefert.
Scholz will der Ukraine so lange wie nötig helfen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte den Willen zur Unterstützung. "Wir werden so lange solidarisch sein - das ist jedenfalls mein Wunsch -, wie das notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann gegen den furchtbaren und brutalen russischen Angriff", sagte er am Donnerstagabend im ZDF.
Allerdings sind die Folgen des Kriegs und der Sanktionen gegen Russland auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren, vor allem wegen der Teuerung und der drohenden Energieknappheit. Darauf reagierten nun Bundestag und Bundesrat. Sie machten den Weg dafür frei, mehr Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung heranzuziehen. Ziel ist es, Gas einzusparen und für den Winter einzuspeichern.
Darüber hinaus beschlossen Bundestag und Bundesrat, staatliche Hilfen für angeschlagene Energieunternehmen wie Uniper zu erleichtern. Uniper beantragte dann auch am Freitag bei der Regierung Stabilisierungshilfen.
Russland hat die Gaszufuhr über die Ostseepipeline Nord Stream 1 gedrosselt. Nächste Woche soll die Leitung für eine Wartung vorübergehend ganz stillgelegt werden. Üblicherweise dauert dies nur einige Tage. Aber es gibt Befürchtungen, dass Moskau die Lieferung dauerhaft stoppt. Kremlsprecher Peskow entgegnete am Freitag, man werde den Gasfluss wieder hochfahren, wenn eine reparierte Gasturbine aus Kanada zurückkomme.
Bundestag billigt Nato-Beitritt von Finnland und Schweden
Ja sagte die Mehrheit im Bundestag auch zu einer wichtigen außenpolitischen Entwicklung in direkter Folge des Ukraine-Kriegs: zum Nato-Beitritt von Finnland und Schweden. Dafür votierten die Fraktionen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sowie aus der Opposition die Union und mehrheitlich auch die AfD. Ablehnung gab es von der Linken.
Am Dienstag hatten die 30 Nato-Staaten die sogenannten Beitrittsprotokolle unterzeichnet. Diese müssen von allen 30 Mitgliedern ratifiziert werden. Da in Deutschland der Bundesrat auf Einspruch verzichtete, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ratifizierungsurkunde ausstellen.