Politik

Kritik und Lob aus der Region: Wie findet Bayern den Koalitionsvertrag von Union und SPD?

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

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11.04.2025, 04:55 Uhr
Wie bewertet die regionale Politik den Koalitionsvertrag?

© IMAGO/HMB-Media; Sven Hoppe/dpa; Stefan Hippel Wie bewertet die regionale Politik den Koalitionsvertrag?

Der am 09. April vorgestellte Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ zwischen Union und SPD soll die Grundlage für die kommende Regierung bilden. Wochenlang beschäftigten sich die Verhandler mit Themen der Wirtschaft, des Haushalts, der Migration wie auch der Digitalisierung. Schlussendlich kommen sechs große Überthemen auf 144 Seiten zur Sprache. Kurz nach Bekanntgabe kommt dafür aus den bayerischen Kommunen Lob - und Kritik.

Wie die Bayerische Politiklandschaft die Ergebnisse wertet

Landrat Thomas Karmasin aus Fürstenfeldbruck, Präsident des Bayerischen Landkreistags, sieht im vorliegenden Koalitionsvertrag in einer ersten Bewertung „mehr Licht als Schatten“: „Viele Kernforderungen des Bayerischen Landkreistags finden sich im Koalitionsvertrag wieder.“ Zu den wichtigsten Forderungen des Landtags gehört das „Wer anschafft, der zahlt“-Prinzip, wonach der Bund auch für die Finanzierung seiner Leistungen verantwortlich ist.

Die Entlastung der Kommunen von „überflüssigen Aufgaben und erhöhten Standards“, die finanzielle Soforthilfe für Krankenhäuser sowie die Vorhaben im Bereich der Migration bewertet der Landrat als positiv.

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König begrüßt ebenfalls viele Punkte des Koalitionsvertrags: „Als Oberbürgermeister bin ich froh, dass die Koalitionsverhandlungen schnell abgeschlossen werden konnten und die neue Bundesregierung nun hoffentlich rasch ihre Arbeit aufnehmen kann. Handlungsfähigkeit ist, auch angesichts der internationalen Entwicklungen, nun gefragt.“

Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Zukunftspaket Bund - Länder - Kommune lese der OB als positiv: „Wir brauchen die im Vertrag versprochene finanzielle Entlastung gerade der großen Städte. Ich wünsche mir ebenso eine schnelle Umsetzung der zugesagten stabilen Einnahmen für Städte und Gemeinden“, sagt der Nürnberger Oberbürgermeister. Laut dem CSU-Politiker müsse hier das Prinzip „Wer bestellt, zahlt“ greifen.

Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung findet viele lobende Worte für den vorliegenden Koalitionsvertrag. Dieser sei als „Fortschritt für Deutschland und damit auch als Fortschritt für Fürth zu bewerten“. Ausbaufähig seien eigentlich nur die Aussagen zur digitalen Verwaltung, da diese nicht vom extremen Ehrgeiz geprägt seien. Jung betont zudem, dass er keine parteipolitische Rücksicht nehme. Obwohl er der neuen Regierung viel Kraft und Erfolg wünscht, wolle er auch in Zukunft seine Stimme erheben, sollte etwas aus seiner Sicht schlecht laufen - „egal von welcher Partei dies zu verantworten ist“.

Kritik aus dem Gesundheitswesen: Nicht realistisch eingeschätzt

Für das Thema Gesundheit und Pflege benötigten Union und SPD nur acht Seiten, kritisiert Frank Hippler Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgesellschaft IKK classic. Auch inhaltlich performe der vorgelegte Koalitionsvertrag eher schwach, mit halbherzigen Strukturreformen, wodurch die Beitragssätze in Kranken- und Pflegeversicherungen weiter steigen dürften. „Wichtig ist es, zügig Reformen anzugehen“, betont Hippler.

Die Verbandschefin der AOK Bayern, Carola Reimann, kommentiert, dass die zuständigen Arbeitsgruppen zwar eine fachpolitische Wunschliste an die Hauptverhandler übergaben - Prioritäten und tatsächliche Handlungsspielräume seien dabei aber nicht realistisch eingeschätzt worden.

Wirtschaft ist optimistisch

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern begrüßt die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen. Kurz nach Bekanntgabe lobt DEHOGA Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer, dass die zukünftige Regierung Lösungen gefunden hat für die „drei drängendsten Probleme des Gastgewerbes“. Demnach werden alle von dem reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Speisen, der Umstellung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie den deutlich geringeren bürokratischen Auflagen profitieren. „Die Einigung der Koalition und der Beschluss des Koalitionsvertrages sind ein historischer Erfolg und ein starkes Signal für das Gastgewerbe in Deutschland.“

Auch Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), sieht im Koalitionsvertrag eine gute Grundlage, welche Planungssicherheit schafft und Wachstumsimpulse setzt. Insgesamt bewertet die vbw die Ergebnisse positiv: „Der Koalitionsvertrag legt richtigerweise die Basis dafür, dass diese zusätzlichen Gelder jetzt auch effizient verausgabt werden.“

Nachholbedarf beim Tierschutz

Im punkto Tierschutz sei aber noch Nachholbedarf, findet Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes: „Vieles bleibt unkonkret, ist schwach formuliert oder lässt zu viel Spielraum. So soll zwar Geld für den dringend benötigten Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung zur Verfügung gestellt werden, aber es ist noch nicht geklärt, woher das Geld kommen soll.“ Auch spielen dringende Tierschutzthemen bisher keine Rolle. Positiv sei jedoch das Bekenntnis zu Investitionen in den praktischen Tierschutz.

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