Interview-Buch

Künast und Beckstein: Schwarz-Grün ist anstrengend, aber möglich

Alexander Jungkunz

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30.6.2021, 05:55 Uhr
Streitbarer Konservativer: Günther Beckstein.

© Michael Matejka, NN Streitbarer Konservativer: Günther Beckstein.

Günther Beckstein macht das offensichtlich gern: mit Grünen-Politikerinnen streiten. Im November 2019 präsentierte unser Medienhaus einen NN-Talk, in dem der frühere Ministerpräsident mit Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth debattierte - sehr zum Vergnügen des Publikums im Nürnberger Presseclub, das einen politisch spannenden wie auch unterhaltsamen Abend erlebte.

Streitbare Grüne: Renate Künast.

Streitbare Grüne: Renate Künast. © Annette Riedl, dpa

Nun war Renate Künast die Sparrings-Partnerin des Nürnberger CSU-Politikers: Beide trafen sich mehrere Male und diskutierten buchstäblich über Gott und die Welt. Der Journalist Stefan Reinecke moderierte die Runde, daraus entstand nun ein gerade in diesem Wahljahr spannendes Buch. "Schwarz vs. Grün - ein Streitgespräch über Klima, Wachstum und eine gute Zukunft" heißt das 220 Seiten starke Bändchen, das im Oekom-Verlag erschien (16 Euro).

Sehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Günther Beckstein und Renate Künast.

Sehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Günther Beckstein und Renate Künast. © Oekom-Verlag, NN

Ein Streitpunkt: Wie gefährlich, wie folgenreich ist der Klimawandel? Da gehen die Meinungen auseinander. Renate Künast antwortet auf die Frage, ob ohne rasches Umsteuern apokalyptische Szenarien drohten: "Ja, dann sind wir dem Untergang geweiht" - und Beckstein sagt: "Nein, die Erde ist stärker." Einwand Künast: "Aber ohne uns." Beckstein entgegnet: "Nein, auch wenn es ein paar Grad wärmer wird, ist das nicht das Ende der Menschheit. Ich vertraue darauf, dass die Kraft der Schöpfung stärker ist."

Während Künast zum ernsthaften, umfassenden Umbau der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit drängt, hält Beckstein wenig von nationalen Alleingängen und staatlichen Vorgaben. Er warnt "vor einer lähmenden Weltuntergangsstimmung und Verzichtsideologie und vor einer Regelungswut, die zur Ökodiktatur führt". Da sind sie zu hören, die üblichen konservativen "Verbotspartei"-Vorwürfe an die Grünen.

Beckstein setzt auf Technologie

Der CSU-Mann setzt auf technischen Fortschritt, der auch umwelt- und klimapolitisch wichtig sei. Gentechnik, die von den Grünen weitgehend abgelehnt wird, ist für Beckstein "eine der großen Hoffnungen für eine Landwirtschaft mit weniger Chemieeinsatz und Wasserverbrauch."

Die Grüne verteidigt die (Um)Gestaltungs-Ideen ihrer Partei. Die CDU/CSU, so Künast, "behauptet ja, die Wirtschaftspartei zu sei. Aber das ist teilweise keine Wirtschaftspolitik, das ist nur Schutz der Wirtschaft." Beckstein wiederholt dagegen häufig den Verbots-Vorwurf: "Aus meiner Sicht haben wir mit Corona eine Verbotsgesellschaft erlebt, die eine Ahnung vermittelt hat, wie eine Verbotsgesellschaft unter den Vorgaben des Klimawandels aussehen könnte."

Künast: Die Union reitet zwei tote Pferde

Künast hält Beckstein entgegen, seine Union reite beim Thema "Transformation der Wirtschaft zwei Tote Pferde", die Bevölkerung sei "in großen Teilen längst weiter". Das erste tote Pferd sei "das Argument der Arbeitsplätze. Sie sagen, die Arbeitsplätze alter Prägung gehen verloren, daran müssten wir festhalten. Wir sagen: Wir wollen und werden die alten Arbeitsplätze weiterentwickeln und zusätzlich neue, sogar mehr Arbeitsplätze schaffen."

Das zweite tote Pferd sei "das Schlagwort von der Verbotskultur. Die Menschen sehen längst, dass es bei uns Dinge gibt, die so einfach nicht mehr gehen - weil die Umwelt zerstört wird, weil falsch verstandene Freiheiten von Konzernen die individuellen Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger einschränken und ihre Zukunft gefährden, wenn wir nichts tun."

Alte Animositäten

Da tun sich also durchaus noch etliche Fronten auf zwischen CD/CSU auf der einen, eher marktliberalen, und den Grünen auf der anderen, eher auf Regulierung setzende Seite. Hinzu kommen die noch nicht gänzlich überwundenen alten Animositäten, die nun angesichts der zeitweiligen Stärke der Grünen zu Rivalitäten werden.

An die alten Zeiten erinnert Künast: "Anfangs, im Bonner Bundestag, war das Zusammentreffen von Grünen und Union ein echter Clash of Cultures. Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz wäre damals schlicht unvorstellbar gewesen." Auch heute gebe es "immer noch CSU-Minister, die im Bundestag als Erstes die Grünen anbrüllen. Da frage ich mich manchmal, was eigentlich in die gefahren ist. Aber grundsätzlich nehmen wir uns gegenseitig ernst."

"Eine Koalition wird viel Arbeit"

Könnte das also was werden mit Schwarz-Grün? Beckstein sagt am Ende des Buches, er sei sich "sicher, dass eine Koalition machbar ist. Auch in unserem Gespräch sehe ich viele Gemeinsamkeiten. Eine Koalition wird viel Arbeit, ist aber im Prinzip möglich."

Nach dem 26. September werden wir mehr wissen.

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