Kürzere Ferien? Die Politik schläft, die Schüler sollen büßen

Martin Damerow

Politik/Wirtschaft

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17.4.2020, 12:26 Uhr

Die Schulferien verkürzen, um versäumten Stoff nachzuholen? Der Vorstoß des Bundestagspräsidenten klingt zunächst nach einer pragmatischen Lösung. Nur die allerwenigsten Eltern können jene Lücken schließen, die das Coronavirus reißt. Manche haben drei schulpflichtige Kinder zuhause UND arbeiten Vollzeit im Homeoffice oder üben ihren Beruf außerhalb aus – wie soll das gehen?

Gar nicht, und genausowenig lässt sich in einer oder zwei Extra-Wochen nachholen, was im Klassenzimmer verpasst wurde. Wolfgang Schäuble ist bislang nicht als Experte für Bildungspolitik aufgefallen, und nun sieht man auch, warum. Zum einen ist sein Vorstoß verfrüht: Wann genau ein geregelter Schulbetrieb wieder möglich sein wird, weiß niemand, und so kann man Extra-Unterricht nicht von einem in allen Bundesländern unterschiedlichen Ferienkalender abhängig machen, sondern allein von der medizinischen Gesamtsituation im Land.

Pädagogik aus der Steinzeit

Zum anderen ist es Steinzeit-Pädagogik, möglichst viel Stoff in möglichst kurzer Zeit in ein Schülergehirn hineinpressen zu wollen. Vielmehr braucht es ein allumfassendes und didaktisch ausgeklügeltes Konzept, damit sich Kinder zumindest die wichtigsten Themen aneignen können, um ihre schulische Laufbahn fortsetzen zu können. In der aktuellen Ausnahmesituation ist nicht zuletzt Mut zur Lücke gefragt.


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Das eigentliche Problem liegt woanders: Was Corona schmerzlich aufzeigt ist, dass das deutsche Bildungssystem in vielen Belangen weit hinter einem Standard liegt, den es längst gibt. Das Lernen von zuhause aus, sagen Experten, wird weiterhin eine gewichtige Rolle spielen. Darauf sind die Lehranstalten nicht eingerichtet. Es fehlt an der Technik und beim Lehrpersonal oft auch am Knowhow, wie man ein Webinar aufzieht oder erfolgreiches e-learning betreibt.

Das ist kein Vorwurf an die Lehrer – solche Stoffe werden während deren Ausbildung und im Studium viel zu wenig bis gar nicht vermittelt. Obendrein ist die Ausstattung der Schulen nicht selten, dafür gibt es keinen anderen Ausdruck, auf unterirdischem Niveau. Wenn Schäuble in seiner herausgehobenen Position Veränderungen anmahnt, dann wären dies weitaus sinnvollere Punkte, an denen man ansetzen muss. Die Schüler nun für etwas büßen zu lassen, was die Politik seit Jahren verschlafen hat, ist der falsche Ansatz.

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