Lage in Idomeni entspannt sich: Mazedonien fühlt sich allein
11.3.2016, 22:00 UhrNach Schließung der Balkanroute ziehen immer mehr Flüchtlinge von der griechischen Grenze zu Mazedonien ab. Am Freitag verließen mehrere Hundert Menschen das Lager Idomeni und stiegen in Busse nach Athen. Trotzdem harren noch immer Tausende in Kälte und Schlamm an der Grenze aus. Ihr Schicksal ist weiter ungewiss.
Bulgarien erwägt, seine Grenze zu Griechenland mit einem Zaun gegen Flüchtlinge abzuriegeln. Auch Italien wappnet sich gegen eine Verlagerung der Fluchtrouten. Mazedoniens Präsident Djordje Ivanov warf der Europäischen Union vor, sein Land in der Flüchtlingskrise im Stich zu lassen. Als Nicht-EU-Land schütze Mazedonien Europa vor Griechenland, das Flüchtlinge einfach weitergeschickt habe, darunter viele mutmaßliche Islamisten. Dennoch bekomme Athen jetzt schon wieder 700 Millionen Euro von der EU, während Mazedonien keinen Cent sehe, sagte Ivanov der Bild-Zeitung. "Ich habe verstanden, dass wir Europa egal sind." Die EU-Kommission wies den Vorwurf zurück. "Wir können hervorheben, dass das Land seit 2007 insgesamt beinahe 900 Millionen Euro an Unterstützung bekommen hat", erklärte eine Sprecherin. Seit Beginn der Krise habe Mazedonien zudem humanitäre Hilfe erhalten.
Der Westbalkanstaat gilt als ein Schlüsselland in der Flüchtlingskrise. Nach Slowenien, Serbien und Kroatien hatte am Mittwoch auch Mazedonien entschieden, nur noch Migranten mit Pass und Visum passieren zu lassen. Damit ist die Balkanroute faktisch dicht.
Zahl der Neuankömmlinge stark gesunken
In Deutschland ist die Zahl der Neuankömmlinge seither drastisch zurückgegangen. Am 27. Februar wurden an der deutsch-österreichischen Grenze noch mehr als 500 Einreisen gezählt, am Mittwoch waren es laut Bundesinnenministeriums nur noch 89. Allerdings gibt es noch immer starke Schwankungen. In den vergangenen Monaten waren mehrere Tausend Asylsuchende am Tag über die Grenze nach Bayern gekommen. In Griechenland harren zurzeit mehr als 42.000 Flüchtlinge aus, und täglich setzen weitere aus der Türkei über. Nach Angaben des Krisenstabs in Athen gibt es im ganzen Land zurzeit Aufnahmelager für 30.000 Menschen; bis Ende nächster Woche sollen es 50.000 Plätze sein. Die Regierung hofft darauf, dass sich die Lage in Idomeni in ein bis zwei Wochen normalisiert. "Wir müssen die Menschen überreden, in andere Lager zu gehen. Gewalt wollen und werden wir nicht anwenden. Das wäre unmenschlich", sagte Bürgerschutzminister Nikos Toskas. "Mit Tränengas geht das nicht."
Bulgarien bereitet sich darauf vor, seine Grenze zu Griechenland weiter abzuriegeln. Das Verteidigungsministerium sei in der Lage, notfalls unverzüglich einen Schutzzaun hochzuziehen, sagte Verteidigungsminister Nikolaj Nentschew. Rund 400 Soldaten sind bereits an der Grenze stationiert, weitere 500 könnten nach Angaben des Regierungschefs Boiko Borissow schnell folgen.
EU setzt auf Abkommen mit Türkei
Am Samstag werden aus Österreich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zu Gesprächen mit Borissow in Sofia erwartet. Der italienische Innenminister Angelino Alfano hatte bereits am Donnerstag Gespräche mit Albanien angekündigt, um illegale Migration in sein Land zu verhindern.
Die Europäische Union setzt darauf, dass spätestens auf dem Gipfel am 17. und 18. März ein Abkommen mit der Türkei zustandekommt. Der beim EU-Türkei-Gipfel Anfang der Woche im Grundsatz vereinbarte Plan sieht vor, dass die EU künftig alle unerlaubt eingereisten Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück in die Türkei schickt. Für jeden zurückgeschickten Syrer lässt die EU einen syrischen Flüchtling legal aus der Türkei einreisen. Dies soll Flüchtlinge davon abhalten, sich Schleppern anzuvertrauen.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach sich dagegen aus, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei mit der Flüchtlingskrise zu verquicken. Im Spiegel plädierte er aber "grundsätzlich" für einen Beitritt des Landes. Die Beitrittskapitel Justiz und Menschenrechte sollten bald eröffnet werden. "Dann muss die Türkei liefern, etwa bei Pressefreiheit und rechtsstaatlicher Justiz."