Revision verworfen
Lebenslanges Urteil gegen Beate Zschäpe ist rechtskräftig
19.08.2021, 19:45 Uhr
Beate Zschäpe lebte mit ihren beiden Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von 1998 an unerkannt im Untergrund, meist im Osten Deutschlands. Ihr letztes Domizil in der Zwickauer Frühlingsstraße bauten die drei Rechtsextremisten unbemerkt zu einem "Safehouse" um, zu einer konspirativen Wohnung mit Überwachungskameras und einer uneinsehbaren Zelle, in der vermutlich Waffen gelagert wurden.
Auf Mord-Tour statt auf Montage
Beate Zschäpe nannte sich draußen gern "Liese" und hielt Kontakt zu Nachbarn, niemand ahnte wohl damals, dass ihre Männer, wenn sie abwesend waren, nicht "auf Montage" gingen, wie sie erzählte, sondern auf Mord-Tour quer durch die Republik.
In Nürnberg erschossen sie am 7. September 2000 den Blumenhändler Enver Simsek, am 13. Juni 2001 den Schneider Abdurrahim Özüdogru, am 9. Juni 2005 den Imbissbetreiber Ismail Yazar.

Man hat von Zschäpe, die sich öfter in Nürnberg aufgehalten hatte, an keinem der Tatorte Spuren gefunden. Auch die Beteiligung bei den weiteren sieben Morden der braunen Terrorzelle an Migranten und der deutschen Polizistin Michèle Kiesewetter konnte man ihr nicht nachweisen. Trotzdem verurteilte sie das Oberlandesgericht München (OLG) im Juli 2018 zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt das Urteil gegen die Hauptangeklagte bestätigt, das stets als juristisch gewagt gegolten hatte. Zschäpes Anwälte hatten deswegen Revision beantragt. Doch der 3. Strafsenat des BGH ließ keinen Zweifel an der Stabilität des Richterspruchs.
Die Opfer hatten noch so viel vor
"Die Beweiswürdigung weist keine Rechtsfehler auf", teilte der Senat mit. Zschäpe habe an der Planung "jeder einzelnen Tat mitgewirkt", habe eine bürgerliche, unverdächtige Legende aufgebaut und nach außen kommuniziert und so die Morde überhaupt erst möglich gemacht.

Die Schlussfolgerungen des OLG München unter Vorsitz des aus Franken stammenden Richters Manfred Götzl seien daher "rational nachvollziehbar und in hohem Maße plausibel", heißt es in dem Beschluss.
Beate Zschäpe, heute 46 Jahre alt, die seit der Selbstenttarnung des NSU und den Suiziden von Böhnhardt und Mundlos im November 2011 in Haft sitzt, hat somit keine Chance mehr auf vorzeitige Entlassung. Denn auch die besondere Schwere der Schuld erkannte man ihr zu.

Ebenso wurde die Revision ihrer Mitangeklagten Ralf Wohlleben (46), ein bekannter Neonazi aus Thüringen und langjähriger NPD-Funktionär, und Holger G. (47) verworfen. Wohlleben hatte im Frühjahr 2000 die Waffe besorgt, mit der neun der zehn Opfer getötet wurden.
Er wurde wegen Beihilfe zum vielfachen Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt. G. erhielt wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Sowohl Wohlleben als auch G. kamen mit der Urteilsverkündung im Juli 2018 frei. Wohlleben hatte über sechs Jahre in Untersuchungshaft gesessen, die auf das Strafmaß angerechnet werden.
Nun muss vom Gesetz her geprüft werden, ob die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dies gilt auch für G., der zwischenzeitlich in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden war.

Den Fall von André E., der eine milde Strafe von nur zweieinhalb Jahren Haft erhalten hatte, obwohl er den NSU mehrfach unterstützt hatte und zeitweilig als viertes NSU-Mitglied betrachtet wurde, will der BGH im Dezember verhandeln.
E. hatte 2018 unter dem Applaus von anwesenden Neonazis den Gerichtssaal als freier Mann verlassen, da er länger in U-Haft gesessen hatte. Dies hatte vielfach für Empörung gesorgt. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen das Strafmaß Revision eingelegt, deswegen kommt es nun zu einer Hauptverhandlung.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die die Nürnberger Opferfamilien Simsek und Özüdogru vertritt, zeigte sich erleichtert über die BGH-Entscheidung. Im "schlimmsten Fall" hätte es passieren können, dass Zschäpe frei komme, sagte sie.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König begrüßte diese "wichtige Entscheidung für die Angehörigen, für den Rechtsstaat." König, der am 13. September an der Liegnitzer Straße einen Enver-Simsek-Platz einweihen wird, versprach, man werde "alles in unserer Macht stehende tun, dass Rassismus und Menschenhass in unserer Stadt keinen Nährboden mehr finden".
Der Nürnberger Stadtrat hatte im Mai über Parteigrenzen hinweg einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern gefordert, um Netzwerke und Helferstrukturen lückenlos aufzuklären. "Das sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig", sagte König.
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