Vierte Welle droht
Luftfilter an Schulen: Söder nimmt Kommunen in die Pflicht
6.7.2021, 05:54 UhrViele Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler treibt die Sorge um, dass es im September wieder vorbei sein könnte mit dem Präsenzunterricht. So, wie das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schon vorausgesagt und damit einen Sturm der Empörung ausgelöst hatte.
Man müsse auf die Ausbreitung der gefährlichen Delta-Variante und somit auf eine mögliche vierte Welle vorbereitet sein, forderte Spahn und schlussfolgerte daraus, dass die Schulen im Herbst wieder in den Wechsel- oder gar Distanzunterricht zurückkehren müssten.
Erfolg der Eltern
Undenkbar für viele Schülerinnen und Schüler, aber auch für deren Eltern. Viele von ihnen haben sich mittlerweile in Initiativen zusammengeschlossen, um sich für ihre Kinder an den Schulen stark zu machen. Der Wegfall der Maskenpflicht, erst auf den Pausenhöfen und später auch in den Klassenzimmern, ist auch auf den nachhaltigen Protest vieler Eltern zurückzuführen, die nicht hinnehmen wollten, dass für Fußballfans in den Stadien oder in der Gastronomie andere Regeln gelten sollten, als für ihren Nachwuchs in der Schule.
Doch auch die Opposition im Landtag hält die Abkehr vom Präsenzunterricht für eine "politische Kapitulation". Auch deshalb, weil der bayerische Kultusminister für den Schulanfang im Herbst bislang noch keinen Masterplan präsentiert hat. Nicht im Kabinett und auch nicht auf Anfrage unserer Zeitung.
12,50 Euro pro Schüler und Schülerin
Über den Umgang mit den Lernrückständen der Schülerinnen und Schüler wurde mehrfach berichtet. Eine zweiwöchige freiwillige Sommerschule und das bei Lehrerverbänden umstrittene Programm "gemeinsam.Brücken.bauen" sollen Abhilfe schaffen. 20 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung, betonte Kultusminister Michael Piazolo (FW) im bayerischen Fernsehen, doch bei 1,6 Millionen bayerischen Schülern und dem Abzug von fünf Millionen Euro für das Ferienprogramm des Jugendrings, sind das gerade mal 12,50 Euro pro Schülerin oder Schüler. Viel zu wenig, sagen Experten, um damit wirklich etwas zu bewirken.
Auch für die Schülerinnen und Schülern aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Verhältnissen, die unter der Pandemie seelisch besonders gelitten haben, kann der Kultusminister keinen Plan vorweisen. "Wir wollen keines dieser Kinder alleine lassen", sagte er kürzlich in einer Fernsehsendung, blieb aber schuldig, in welcher Form die betroffenen Kinder und Jugendlichen an den Schulen unterstützt werden sollen. Bislang stehen den Schulen weder Gelder noch Personal zur Verfügung, um diese Jugendlichen aufzufangen.
Zu wenig Luftfilter
Ebenso wenig existieren bislang Hygienekonzepte, die über das regelmäßige Testen, die AHA-Regeln im Schulhaus und das regelmäßige Lüften der Unterrichtsräume hinausgehen. Bislang wurden viel zu wenig Luftfilter, die einen Austausch der Raumluft gewährleisten und damit für mehr Sicherheit in den Klassenzimmern sorgen könnten, angeschafft und eingebaut.
Stand heute sind gerade einmal in und 14000 von insgesamt 75000 Klassenzimmern und Fachräumen in Bayern Luftfilteranlagen installiert worden. In einer ersten Förderwelle des Freistaats im vergangenen Jahr, in der 37 Millionen Euro zur Verfügung standen, wurden nur rund 4600 Fach- und Klassenräume mit Luftreinigern und CO2-Meßgeräten ausgestattet. Und zwar nur diejenigen, die keine oder nur schlechte Lüftungsmöglichkeiten aufwiesen.
Und so sieht es an den Erlanger Schulen mit dem Einbau der Luftfilteranlagen aus.
Hier übernahm der Freistaat die Gesamtkosten. Besagtes Förderprogramm wurde dann noch einmal ausgeweitet auf alle Klassenzimmer und Fachräume. Diesmal förderte der Freistaat 50 Prozent der Anschaffungssumme. Rund 9500 Unterrichtsräume konnten so mit Luftreinigern ausgestattet werden.
"Damit haben fünf von sechs Klassenzimmern keine Luftreinigungsgeräte", sagte Matthias Fischbach, bildungspolitischer Sprecher der FDP und ihr parlamentarischer Geschäftsführer im Landtag. Er hat sich im Rahmen einer Anfrage eine genaue Aufstellung der bayerischen Schulen und deren Ausstattung mit Luftfiltern vom Kultusministerium zukommen lassen und ist "erschüttert" von der "Nachlässigkeit des Kultusministers": "Man hatte seit Oktober vergangenen Jahres Zeit, die Schulen mit Luftfilteranlagen auszustatten und passiert ist gar nichts", sagte Fischbach. Es sei unrealistisch, dass die Kommunen die fehlenden Anlagen noch vor der Sommerpause besorgen und einbauen könnten.
Räume ohne Frischluftzufuhr
In Nürnberg wurden bislang in 300 von 4000 allgemeinen Unterrichtsräumen Lüftungsanlagen eingebaut. Dabei handelte es sich um Räume, die über keinerlei Frischluftzufuhr verfügten. "Ich weiß natürlich, dass ,Fenster auf‘ bei Hitze und Kälte oft ungünstig ist", sagt Schulbürgermeisterin Cornelia Trinkl (CSU). Der Bayerische Elternverband, Lehrerverbände und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisieren scharf, dass bislang nur ein Bruchteil der Schulen über Luftfilteranlagen verfügt. Sie fordern den Kultusminister auf, alles zu tun, um den Präsenzunterricht im Herbst langfristig möglich zu machen.
In der vergangenen Woche war Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinem Kultusminister Michael Piazolo (FW) erneut in die Parade gefahren und hatte verkündet, dass über den Sommer alle bayerischen Kitas und Klassenzimmer mit Luftfiltern auszustatten seien. Die Kosten müssten die Kommunen zu 50 Prozent tragen.
Der Bayerische Städtetag reagierte prompt: Man vermisse in dieser Sache schon seit längerem eine fachlich fundierte Festlegung des Freistaats, welche technischen Voraussetzungen Geräte zur Luftreinigung erfüllen müssten, um einen möglichst guten Schutz zu gewährleisten, sagte Geschäftsführer Bernd Buckenhofer.
Wäre dies erfolgt, wäre man längst weiter. Außerdem müsse man sich an die geltenden Ausschreibungsgesetze halten. Bei großen Schulzentren etwa, die von Landkreisen getragen werden, müsse europaweit ausgeschrieben werden.
"Reiner Appell"
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Wilfried Schober, Sprecher des Bayerischen Gemeindetags, ergänzte: "Wir sehen Söders Forderung als reinen Appell. Wenn der Ministerpräsident die Luftfilteranlage an Schulen verpflichtend will, muss er das gesetzlich festlegen und dann muss der Freistaat auch dafür aufkommen, Stichwort Konnexitätsprinzip. Wir lassen uns den Schwarzen Peter nicht zuschieben."
Für die Landtags-SPD ist die Sache klar: Luftfilter müssen so schnell wie möglich her, zahlen soll sie aber der Freistaat.