Mansour: "Unser Land wird oft als schwach wahrgenommen"

Alexander Jungkunz

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10.1.2018, 17:08 Uhr
Am Donnerstag, 18. Januar, zu Gast in Nürnberg: Ahmad Mansour.

© Michael Kappeler (dpa) Am Donnerstag, 18. Januar, zu Gast in Nürnberg: Ahmad Mansour.

Herr Mansour, das Jahr hat begonnen mit der CSU-Klausur und ihren neuen Forderungen in Sachen Flüchtlingspolitik: Alterskontrollen von Zuwanderern, Leistungskürzungen – geht das in die richtige Richtung?

Ahmad Mansour: Ehrlich gesagt erscheint mir das ein bisschen zu kurz gedacht. Es gibt immer wieder neue Forderungen, aber was ich vermisse, das ist ein richtiges Konzept dahinter. Ich merke in meiner Arbeit, dass Integration sehr schwierig ist. Das ist eine ständige Aufgabe, ein Prozess, der begleitet werden muss. Wenn neue Forderungen kommen, dann werden die in der Regel entweder schnell als rechtsradikal zurückgewiesen, als unmenschlich oder ausländerfeindlich. Ich sehe das anders: Die Leute, die zu uns kommen, brauchen Orientierung, sie brauchen klare Regeln. Sie müssen wissen, was in diesem Land geht und was das Land von ihnen erwartet. Sonst sind wir in zehn Jahren gezwungen, noch mal über Integration zu reden, weil wir sehen, dass sie gescheitert ist.

Zugespitzt: Nicht jede Forderung ist eine Zumutung, sondern es ist richtig, etwas von den Zuwanderern zu fordern...

Mansour: Ich finde, es ist gut für das Land, wenn wir zum Beispiel das Alter von Migranten erfassen. Das ist das Mindeste, dass die Leute auch sagen, woher sie kommen und wer sie sind, damit wir unterscheiden können zwischen denen, die Schutz brauchen, und denen, die nur auf diesen Zug aufspringen und nicht aus Kriegsgebieten kommen, sondern etwa aus nordafrikanischen Ländern. Es steht Deutschland zu, das zu wissen und danach zu handeln.

Manche haben rechtliche Bedenken bei solchen Altersüberprüfungen.

Mansour: Ich würde das nicht massenhaft machen, sondern dann, wenn ein Verdacht besteht. Ich finde diese Diskussion bezeichnend für den Riss, der durch dieses Land geht – der Riss zwischen denen, die für Migration sind, und denen, die dagegen sind. Da gibt es keine gesunde Streitkultur, keinen guten Umgang mit dem Thema. Wenn ich jetzt nach Nürnberg fliege, muss ich mich höchstwahrscheinlich auch von einem Ganzkörperscanner durchchecken lassen. Hunderttausende tun das. Und die Migranten müssen wissen, dass sie diesen Altersnachweis vorbringen müssen, wenn er eingefordert wird.

Die CSU fordert eine Kürzung der Asylbewerberleistungen, weil der Andrang nach Deutschland auch wegen der hohen Leistungen so groß ist. Sinnvoll?

Mansour: Ich würde Leistungen lieber an Bedingungen knüpfen. Wenn sich Menschen integrieren, Deutsch lernen, Arbeit finden, sich Mühe geben, dann sollten die mehr gefördert werden als diejenigen, die das nicht tun und nicht wollen. Was heute passiert: Alle werden in einen Topf geschmissen – diejenigen, die unglaubliche Leistungen gebracht haben und angekommen sind in Deutschland, und diejenigen, die seit zwei Jahren eigentlich nichts tun. Wer sich um Arbeit bemüht, muss belohnt werden. Wer das nicht tut, sollte spüren, dass es nicht so einfach ist, hier mit Nichtstun zu leben.

Stichwort Familiennachzug: Vergangene Woche präsentierte der Kriminologe Christian Pfeiffer jene Studie, die einen Anstieg der Gewalt durch Flüchtlinge belegte. Seine Begründung: Vielen jungen Männern fehle der Kontakt zu Frauen. Ein Argument für den Familiennachzug?

Mansour: Ich schätze Herrn Pfeiffer sehr, bin in diesem Fall aber der Meinung, dass dies nur einer von vielen möglichen Faktoren ist. 2015 hat man Gewalt, die von Flüchtlingen ausging, meist reflexhaft nur auf Traumatisierungen zurückgeführt und dabei weitere Ursachen außer Acht gelassen. Gewalt und Kriminalität sind keinesfalls zu rechtfertigen. Diejenigen, die in dieses Land kommen und schon nach ein, zwei Jahren kriminell werden, brauchen ganz klare Botschaften der Gesellschaft. Sie müssen mit Konsequenzen rechnen. Als ich hierher kam, bin ich nicht mal bei Rot über die Ampel gegangen, weil ich Angst hatte, dass es meinen Aufenthalt beeinträchtigt. Das muss bei allen ähnlich ankommen. Wir brauchen eine starke Justiz, eine starke Polizei, einen starken Rechtsstaat. Unser Land wird da zu oft als schwach wahrgenommen, auch weil viele Migranten aus autoritären Gesellschaften kommen. Familiennachzug ist in manchen Fällen absolut notwendig, in anderen Fällen vielleicht sogar eine Beeinträchtigung für die Integration.

Sie plädieren für eine Einzelfallprüfung.

Mansour: Absolut. Wir müssen auch schauen, woher die Leute kommen. Ob da Krieg herrscht, ob die Eltern in Unsicherheit leben – das muss alles mitdiskutiert werden. Einen pauschalen Familiennachzug hielte ich für fatal.

"Schaffen wir das? Mega-Aufgabe Integration“: So lautet der Titel unseres NN-Talks mit Ahmad Mansour am Donnerstag, 18. Januar. Der Talk im Caritas-Pirckheimer-Haus Nürnberg (CPH, Königstraße 64) beginnt um 19.30 Uhr (Einlass: 19 Uhr). Eintrittskarten à 12 Euro (für Abonnenten mit ZAC-Rabatt 8 Euro) sind an den Ticket-Vorverkaufsstellen dieser Zeitung erhältlich.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Donnerstagsausgabe (11. Januar) der Nürnberger Nachrichten.

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