Martin Schulz mit 100 Prozent zum SPD-Chef gewählt

19.3.2017, 15:34 Uhr
Martin Schulz sprühte beim Sonderparteitag der SPD vor Optimismus.

© dpa Martin Schulz sprühte beim Sonderparteitag der SPD vor Optimismus.

Die SPD hat am Sonntag bei einem Sonderparteitag in Berlin Martin Schulz mit 100 Prozent der gültigen Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. In seiner Rede warnte Schulz den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan davor, Menschen in Deutschland durch Nazi-Vergleiche gegeneinander aufzuhetzen. "Deshalb muss man auch Herrn Erdogan mit klaren Worten sagen, dass das so nicht geht", sagte Schulz am Sonntag in seiner Parteitagsrede in Berlin an die Adresse Erdogans.

Man dürfe nicht hinnehmen, dass türkischstämmige Bürger gegeneinander ausgespielt würden. Dabei dürfe man Erdogan auch darauf hinweisen, "dass seine Strategie früher oder später scheitern wird", sagte Schulz. Indirekt kritisierte Schulz das Agieren von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ein deutscher Kanzler könne durchaus - bei allen notwendigen diplomatischen Gepflogenheiten - in so gewichtigen Fragen eine klare Position einnehmen - wie Gerhard Schröder es mit seinem Nein zum Irak-Krieg getan habe. "Ein deutscher Bundeskanzler muss diese klare Haltung zeigen, wenn es um die Verteidigung unserer grundlegenden Werte geht."

Erdogan hatte Deutschland und anderen europäischen Länder, in denen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagt wurden, Nazi-Methoden vorgeworfen. Am 16. April wird in einem Referendum über eine Verfassungsreform in der Türkei abgestimmt, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht geben soll. In Deutschland gibt es 1,4 Millionen Wahlberechtigte.

Schulz hatte in seiner Rede auch die Kritik von Union und Wirtschaft an den von ihm angekündigten Korrekturen an der Agenda 2010 zurückgewiesen. Es gehe dabei nicht um "Vergangenheitsbewältigung" oder eine Debatte, die inzwischen 14 Jahre her sei. Die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hänge nicht von der Länge der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds an, sondern von der Qualifizierung der Menschen, sagte Schulz am Sonntag bei einem Sonderparteitag in Berlin.

Abschied von Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel hat sich in seiner Abschiedsrede als SPD-Chef klar gegen eine Fortsetzung der großen Koalition nach der Bundestagswahl im September ausgesprochen. 2013 habe er die Partei in ein Bündnis mit der Union geführt, "weil die SPD nicht zum Zuschauen und übrigens auch nicht zum Wohlfühlen in der Politik ist", sagte Gabriel am Sonntag vor mehr als 600 Parteitagsdelegierten in Berlin. "Jetzt wollen die Menschen einen neuen Aufbruch und was sie nicht wollen, ist die Fortsetzung der großen Koalition."

Nur mit einem Wechsel zu Martin Schulz an der Parteispitze sei dieser Aufbruch glaubwürdig zu vollziehen. "Ich glaube, dass ich mit dieser Entscheidung und diesem Vorschlag der SPD am besten diene", sagte Gabriel. "Alle Vorsitzenden der SPD haben zuallererst für die Partei und nicht zuallererst für sich gearbeitet." 

Sigmar Gabriel stand siebeneinhalb Jahre an der Spitze der ältesten deutschen Partei. Ende Januar verzichtete der heutige Außenminister auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zugunsten des populären früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz. Seitdem hat die SPD in den Umfragen stark zugelegt und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. 

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Am Vorabend des Parteitags spielte der SPD-Hoffnungsträger die Frage nach dem zu erwartenden Ergebnis für ihn als nebensächlich herunter. "Die Prozente spielen ernsthaft keine Rolle", sagte er bei einem Rundgang durch die "Arena" in Berlin-Treptow. Schulz sagte, er sei demütig, bitte die Delegierten um einen "Vertrauensvorschuss" und wolle die breite Mehrheit der Partei hinter sich versammeln. Da müsse man bei der Abstimmung nicht über Nachkommastellen nachdenken. Den Nachkriegsrekord bei der Wahl eines SPD-Vorsitzenden hält Kurt Schumacher. Er bekam 1948 in Düsseldorf 99,71 Prozent. 

"Martin Schulz hat Kanzlerqualitäten"

Unterstützung erhielt der frühere EU-Parlamentspräsident auch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der in als zuverlässig und Mann des offenen Wortes lobte. "Sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel haben Kanzlerqualitäten", sagte Juncker der Bild am Sonntag.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann rechnet nicht damit, dass nach der Wahl von Martin Schulz zum Parteivorsitzenden die Flügelkämpfe in der SPD wieder aufflammen. "Bei uns ist ein Teamgeist entstanden, der Berge versetzen kann. 12.000 neue Mitglieder bringen jede Menge frischen Wind und Zuversicht. Der Parteitag am Sonntag wird zeigen: Alle stehen hinter Martin Schulz", sagte Oppermann der Nordwest-Zeitung (Samstag).

Im jüngsten Sonntagstrend kommt Rot-Rot-Grün erneut auf eine knappe Mehrheit von 48 Prozent. Die SPD verliert in der Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag zwar einen Punkt auf 32 Prozent. Dafür legen die Grünen um einen Punkt auf 8 Punkte zu. Die Linkspartei bleibt bei 8 Prozent.

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