Skurrile Forderung in Russland

Mehr Kinder braucht das Land: Moskau wünscht sich „Sex in der Mittagspause“

Stefan Besner

Online-Redaktion

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17.12.2024, 18:38 Uhr
Damit Mütterchen Russlands gebärfreudige Hüften endlich auf Hochtouren arbeiten, hat man in der Duma nun ein paar schlüpfrige Ideen ausgebrütet.

© IMAGO/Kirill Zykov/IMAGO/ITAR-TASS Damit Mütterchen Russlands gebärfreudige Hüften endlich auf Hochtouren arbeiten, hat man in der Duma nun ein paar schlüpfrige Ideen ausgebrütet.

Wie die meisten Autokraten inszeniert auch Wladimir Putin sich gern mit Kindern. Das sieht nett aus und soll Vertrauen erwecken, hat aber einen alles andere als harmlosen Hintergrund. Denn während im Angriffskrieg gegen die Ukraine Soldaten sterben, passiert an der Heimatfront zu wenig, um für Nachschub zu sorgen. In Russischen Betten wird offenbar mehr geschlafen als der Kremlchef es gern hätte. Das findet der gar nicht sexy. Damit Russland eine neue Generation von Babyboomern heranzieht, hat man in der Duma nun ein paar schlüpfrige Ideen ausgebrütet.

700.000 Tote oder Verwundete

Die russische Armee hat in der Ukraine 700.000 Tote oder Verwundete zu beklagen, das erklärte NATO-Generalsekretär Mark Rutte nach Informationen von "istories" auf einer Pressekonferenz während eines Treffens der Außenminister der Nordatlantischen Allianz in Brüssel. Laut "ntv" schätzen andere Organisationen, dass allein bis Juli 2024 rund 120.000 Russen an der Front in der Ukraine gefallen sind. Diese Zahlen sind freilich schwer zu verifizieren, eines steht jedoch zweifelsfrei außer Frage: Russlands Verluste sind verheerend. Das Land braucht dringend Nachwuchs. Für die Front und den Arbeitsmarkt. Damit hapert es allerdings - und zwar nicht erst seit gestern.

Demografisches Desaster

Betrachtet man die Geburtenrate Russlands seit 1950 sticht einem ein starker Abwärtstrend ins Auge. Brachte jede Frau im gebärfähigen Alter Mitte der 1980er Jahre noch durchschnittlich über zwei Kinder zur Welt, erreichte Russland 2023 mit lediglich 1,45 Kindern pro Frau sogar ein historisches Tief innerhalb der letzten knapp 20 Jahre. Und die Tendenz zeigt weiter nach unten. So wurden laut "ntv" dieses Jahr 920.000 Kinder geboren, erneut 3,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Um Russlands Bevölkerungszahl von rund 144 Millionen zu halten, wären demnach allerdings 2,1 Kinder pro Frau notwendig.

Die sinkenden Geburtenzahlen in Kombination mit den Hekatomben täglich fallender Soldaten an der Front lässt das Land auf eine demografische Katastrophe zusteuern. Das hat inzwischen auch der Kreml begriffen - und es sich zur Aufgabe gemacht, die laue Lustlosigkeit in russischen Boudoirs zu bekämpfen. Das treibt mitunter skurrile Blüten.

Hohe Strafen für Kinderfrei-Werbung

Nach einer Einstufung der internationalen LGBTQ-Bewegung als "extremistische Organisation" und der systematischen Diskriminierung homosexueller Menschen hat Russland nun die "Childfree"-Bewegung aufs Korn genommen. Mit einem neuen Gesetz will der Staat nun noch gravierender ins Privatleben seiner Bürger eingreifen. Der Vorwand: Schutz des traditionellen Familienbildes. In der Praxis bedeutet dieser "Schutz" massive Einschränkungen in Sachen Abtreibung sowie ein Verbot von Werbung für Kinderfreiheit. Wer andere in Internet, Medien, Filmen oder in der Werbung künftig dazu ermutigt, keine Kinder zu bekommen, macht sich bereits schuldig. So drohen laut "ntv" hohe Geldstrafen von umgerechnet knapp 4000 Euro für Privat- und bis zu rund 48.000 Euro für juristische Personen.

Schäferstündchen statt Mittagspause

Wladimir Putin hat dieses Jahr offiziell als "Jahr der Familie" ausgerufen. Und weil eine Familie ohne Kinder selbstredend keine Familie ist, will man in Russland dafür sorgen, dass den Worten nun auch Taten folgen. Frei nach dem Motto "Schäferstündchen statt Mittagspause" soll in Datschas, Hinterzimmern, Toiletten oder Wandschränken nun geknattert werden, was das Zeug hält. Das jedenfalls schlug der Gesundheitsminister der Region Primorje, Jewgeni Schestopalow, jüngst vor. Russinnen und Russen sollten auch während der Arbeitszeit Babys zeugen - sie sollen Sex in der Mittagspause haben. Wer der aus der Hüfte geschossenen Anordnung nachkommt, darf mit einer Reihe von Zuschüssen und Vergünstigungen rechnen. Studentinnen in inzwischen elf russischen Regionen erhalten ab nächstem Jahr sogar eine Art Kopfprämie: Für ein geborenes Baby zahlt der Staat umgerechnet 1000 Euro. Besonders gebärfreudige Frauen verleiht man in Russland zwar noch kein Mutterkreuz, die Prämie und ihr Zweck erinnern dennoch sehr stark an sehr dunkle Zeiten einer nicht allzu fernen Vergangenheit.