Hohe Materialkosten
Milliardenverschwendung bei PCR-Tests vermutet - Spahn in der Kritik
09.01.2023, 12:36 Uhr
Die Corona-Pandemie brachte nie dagewesene Herausforderungen mit sich. Herausforderungen, deren Bewältigung viel Geld kostete. Zu viel Geld, was die Ausgaben für PCR-Tests anbetrifft - das legen Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) nun nahe. Kritik hagelt es für das damalige, von Jens Spahn geführte Gesundheitsministerium.
Bis zu fünfmal so hohe Materialkosten angegeben
Vom Bund verbreitete PCR-Tests sollten in der Hochphase der Pandemie zusätzlich zu den Tests beim Hausarzt die Ausbreitung des Virus überschaubar machen und eindämmen. Mehr als sechs Milliarden Euro gaben Staat und Krankenkassen nach Informationen des BR bisher für solche PCR-Tests aus. Die Recherchen offenbaren, dass die Testmaterialien auf dem Markt damals allerdings deutlich günstiger zu haben gewesen wären. Während Ärztevertreter die reinen Materialkosten für einen PCR-Test damals mit 22,02 Euro bezifferten, verkauften mehrere Anbieter zertifizierte Testkits zu dieser Zeit für vier bis sieben Euro. Ein Großteil der ausgegebenen Steuergelder hätte demnach gespart werden können.
Gesundheitsministerium machte Druck
Ende Januar 2020 akzeptierte das damals von CDU-Minister Jens Spahn geführte Gesundheitsministerium einen Gesamtpreis von 59 Euro pro PCR-Test. Wie die Tagesschau berichtet, orientierte man sich am Preis für einen vergleichsweise seltenen Hepatitis-Test - und nicht etwa an PCR-Tests für Influenza- oder RS-Viren, die lediglich 19,90 Euro kosten. Nach Informationen der SZ erklärten Insider der Krankenkassen, dass das Gesundheitsministerium unter Spahn Druck gemacht habe, die 59 Euro zu akzeptieren. Das Ministerium habe eine schnelle Einigung gewollt, um hochwertige Corona-Tests für alle zur Verfügung zu stellen, hieß es.
Keine tatsächlichen Marktpreise ermittelt
Die 59 Euro pro Test seien nach den Recherchen von WDR, NDR und SZ der Auftakt zu einer bis heute andauernden, möglicherweise milliardenschweren Verschwendung, denn: Tatsächliche Marktpreise habe Spahns Ministerium allem Anschein nach nicht ermittelt. So findet sich in den Ministeriumsunterlagen keine Kostenkalkulation und keine Beauftragung von Sachverständigen. Der Bund verließ sich den internen Dokumenten zufolge weitgehend auf Angaben der Lobby von Ärzten und Laboren. Nach einem Bericht der Tagesschau hätten sich die Kosten für Labore für ein PCR-Testkit beispielsweise bei der Firma TIB Molbiol auf nicht mehr als neun Euro belaufen.
Kassen zahlten offenbar deutlich über Marktpreis
Für einige Laborbetreiber und Hersteller waren die hohen Preise auch damals bereits ein Rätsel. Der Berliner Unternehmer Benjamin Föckersperger hat die Seite coronatest.de aufgebaut und auch PCR-Tests ausgewertet: Deutlich günstiger wäre es ihm zufolge auch gegangen, wie die Tagesschau berichtet. So habe seine Firma bereits Anfang 2021 "für die komplette Auswertung von Fremdkunden 15 Euro genommen, inklusive aller Nebenkosten", erklärte Föckersperger. Ein entsprechender Vertrag liege NDR, WDR und SZ vor. Zu diesem Preis hätte er die Tests auch dem Staat angeboten. Offenbar habe es aber "null Interesse seitens der Politik" gegeben, günstige PCR-Tests zu bekommen, so Föckersperger.
Spahn will sich nicht äußern
Wie lukrativ das PCR-Geschäft für die Labore tatsächlich war, erkennt man an den wenigen Firmen, die detaillierte Geschäftszahlen veröffentlichten. So explodierten die Gewinn des Laborkonzerns Sonic Healthcare laut Tagesschau von 82 auf 274 Millionen Euro. Auch im Jahr 2022 erhielten die Labore noch großzügige Vergütungen für die Corona-Tests. So wirksam die millionenfachen Testungen waren, durch überteuerte Erstattungen könnte ein Milliardenschaden entstanden sein. Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn wollte sich bislang nicht zu den Vorwürfen äußern.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte gegenüber der Tagesschau: "Mir erschienen die Testkosten zu hoch. Ich habe sie dann deutlich, um mehr als die Hälfte abgesenkt. Trotzdem kommen die Anbieter mit dem Geld aus. Daher können die Kosten also nicht höher sein als das, was jetzt bezahlt wird." Doch auch aktuell, nach einigen Preissenkungsrunden, kassieren die Labore für jeden PCR-Test weiter 32,39 Euro vom Bund.
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