Mobile Praxen: Ein Rezept gegen den Arztmangel auf dem Land?

dpa

26.4.2019, 09:30 Uhr

Das Postamt ist längst verschwunden, der Dorfladen zu. Und was wird aus der Arztpraxis? Die medizinische Versorgung wird gerade in kleineren Orten in Deutschland zusehends schwieriger. Die Politik versucht gegenzusteuern, auch mit mehr finanziellen Anreizen für Landärzte. Doch in dünn besiedelten Regionen, aus denen mehr und mehr Menschen wegziehen, sind feste Praxen oft nicht mehr leicht zu betreiben. Helfen sollen mobile Angebote, bei denen sich auch die Deutsche Bahn stärker engagieren will. Was kann das bringen?

Was ist das Konzept der Bahn?

Der bundeseigene Konzern bietet so etwas wie "Gesundheitsbusse" an. Dafür hat die Sparte für den regionalen Busverkehr den "DB Medibus" entwickelt, in dem sich eine rollende Praxis für Allgemeinmedizin befindet - mit Wartezimmer, Behandlungsraum und Labor. Die Bahn vermietet das Fahrzeug und stellt den Fahrer. Ärzte, Fachpersonal und Geräte wie Ultraschall organisieren laut Konzept die Projektpartner. Auch ein Zahnarzt-Bus ist bei der Bahn in Planung. Dieser soll dann in Ostfriesland und Südbayern getestet werden.

Wo kam der Medizinbus schon zum Einsatz?

Seit Juli 2018 ist ein "Medibus" bereits in Hessen unterwegs - mit Hausarzt und Arzthelferin an Bord. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) geht es unter der Woche in fünf Gemeinden mit Ärztemangel. Der Bus soll auch als Unterstützung dienen, wenn Praxen in der Region überlastet sind. Im Ballungsraum Berlin gab es ebenfalls schon Einsätze zu Impfzwecken. Die Uniklinik Charité steuerte von Ende 2016 an Flüchtlingsunterkünfte an, in denen sich rund 6000 Geflüchtete impfen ließen, wie der stellvertretende Ärztliche Direktor, Joachim Seybold, sagt. Von Mitte 2017 bis Ende 2018 fuhren Charité-Experten per Bus zu Schulen in Berlin und Brandenburg, um Schüler über Impfungen zu informieren und manche von ihnen zu impfen. In Sachsen soll von Anfang Mai an ein Bus für eine Impfkampagne zu beruflichen Schulzentren fahren.

Was sagen die Ärzte?

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) heißt es, mobile Angebote seien in Gegenden durchaus sinnvoll, in denen es sonst keine Infrastruktur mehr gebe. Dabei existieren neben der rollenden Praxis, die zu den Patienten kommt, auch schon Projekte nach umgekehrtem Prinzip: Patienten werden zu Ärzten gebracht. In Ostfriesland fährt zum Beispiel ein Shuttlebus an Wochenenden Hilfebedürftige zu einer Bereitschaftspraxis und nach der Behandlung wieder zurück, wie die KV Niedersachsen erläutert. Ein anderes Modell eines "Patientenbusses" in Leer (Ostfriesland) wurde nach gut einem Jahr im Probelauf nicht weitergeführt. Dabei ging es aus dem Umland für 4,60 Euro zu Ärzten in die Stadt, bei längeren Wartezeiten auch per Taxi ohne Aufschlag zurück. Im Regelbetrieb ließ sich so etwas aber nicht finanzieren.

Was sagen Verbraucherschützer?

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) findet Überlegungen zum Sicherstellen einer flächendeckenden Versorgung generell hilfreich. Innovative Ansätze samt neuer telemedizinischer Möglichkeiten seien da eine Option, sofern die notwendige Expertise eingebracht und die ärztlichen Standards eingehalten würden, sagt vzbv-Experte Kai Vogel. "Rollende Arztpraxen sollten trotzdem nur eine absolute Notlösung darstellen." Im Fokus müsse bleiben, das Kernproblem zu lösen - die regional so unterschiedliche Verteilung der Ärzte vor Ort. Bei der KV Hessen heißt es über den "Medibus": "Die Sprechstunden der mobilen Hausarztpraxis sind bestens ausgelastet." Vor allem Ältere nähmen das Angebot wahr. Sie kämen mit akuten Beschwerden wie Übelkeit oder Wunden, aber auch wegen chronischer Beschwerden wie Bluthochdruck.

Können mobile Praxen das Problem Ärztemangel beheben?

Als alleinige Lösung gelten solche Gesundheitsbusse nicht, als hilfreiche Bausteine aber schon. Das Bundesgesundheitsministerium sieht den "Medibus" als ein effizientes und innovatives Mittel. "Er kann dazu beitragen, die ärztliche Versorgung auf dem Land vorübergehend zu verbessern", sagt eine Sprecherin. Die KV Hessen macht ebenfalls klar: "Der Bus ist eine Übergangslösung." Man setze alles daran, Ärzte für eine Niederlassung oder eine Anstellung in ländlichen Regionen zu motivieren. Auch beim Städte- und Gemeindebund heißt es, der "Medibus" könne Versorgungsdefizite vor allem auf dem Land mildern und solange Lücken schließen, bis wieder eine dauerhafte hausärztliche Versorgung gewährleistet sei. Mit seiner begrenzten Präsenz könne er den Ärztemangel in bestimmten Regionen aber nicht dauerhaft beheben.

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