Moria: Rufe nach Aufnahme von Flüchtlingen mehren sich
10.9.2020, 10:37 UhrNach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria mehren sich die Forderungen nach einer Aufnahme der Flüchtlinge aus dem zerstörten Camp auf der griechischen Insel Lesbos. Hilfsorganisationen sowie Vertreter aus Politik und Kirche riefen dringend zur Umverteilung der Schutzsuchenden in Europa auf. Der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Deutschland, Frank Remus, appellierte am Donnerstag an die Bundesregierung, zusätzliche Migranten aus Moria aufzunehmen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach sich in der ARD für die Aufnahme von 2.000 Flüchtlingen in Deutschland aus. „Ich persönlich bin der Meinung, dass wir die Angebote der deutschen Länder und Kommunen jetzt annehmen sollen und Deutschland vorausgeht mit einem Zeichen der Humanität und 2.000 dieser Flüchtlinge jetzt aufnimmt“, sagte Müller am Mittwochabend im ARD-„Brennpunkt“. Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, forderte im Radioprogramm SWR Aktuell, „dass Deutschland möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten - notfalls aber auch alleine - 5.000 Flüchtlinge vom griechischen Festland aufnehmen sollte“.
Giffey: "Kommunen Aufnahme ermöglichen"
Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sprach sich dafür aus, deutschen Kommunen die Aufnahme zu ermöglichen. „Wir können nicht warten, bis sich alle europäischen Partnerländer geeinigt haben. Das wird Wochen und Monate dauern“, sagte sie in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte im Radiosender NDR Info ebenfalls, dass Deutschland vorangeht und Migranten aufnimmt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte im Juli eigene Landesaufnahmeprogramme von Berlin und Thüringen gestoppt mit der Begründung, die Verhandlungen für eine europäische Asylpolitik nicht gefährden zu wollen.
UNHCR-Vertreter Remus sagte der Zeitung „Die Welt“ (Donnerstag), er verstehe zwar, dass Deutschland bisher auf eine europäische Lösung poche. „In einer Notsituation wie dieser würde ich es aber sehr begrüßen, wenn die bisherige Politik überdacht würde“, erklärte er. Der EU warf Remus vor, sich nicht angemessen um die Lager gekümmert zu haben.
Kein gemeinsamer Weg in Europa
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, mahnte eine rasche europäische Lösung an. Falls dies nicht möglich sei, „muss Deutschland mit den Ländern, die dazu bereit sind, vorangehen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Europa habe es versäumt, sich auf einen gemeinsamen Weg in der Flüchtlingspolitik zu verständigen.
Auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, kritisierte die EU-Flüchtlingspolitik scharf. „Die Flüchtlingspolitik, das muss man so sagen, das ist wirklich die europäische Schande“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Viele Mitgliedsstaaten seien nicht bereit sind, in irgendeiner Weise zur Lösung des Problems beizutragen. Barley forderte ein schnelles Handeln.
Lager "in Schutt und Asche"
In der Nacht zum Mittwoch hatte ein Feuer große Teile des mit mehr als 12.000 Menschen völlig überfüllten Lagers auf Lesbos verwüstet. Wie die offenbar mehreren Brände entstanden, war zunächst unklar. Berichte über Verletzte oder Tote lagen zunächst nicht vor. In der Nacht zum Donnerstag brachen in Moria weitere Feuer aus, wie der Einsatzleiter der Seenotrettungsorganisation „Mission Lifeline“, Niklas Fischer, im ARD-„Morgenmagazin“ sagte.
Das Lager liege jetzt „komplett in Schutt und Asche“. Viele Menschen hätten die Nacht auf der Straße verbracht. Flüchtlinge, die versucht hätten, in die Hauptstadt Mytilini zu gelangen, seien von der Polizei abgehalten worden, sagte Fischer von Lesbos aus. Hilfsorganisationen würden weiter daran gehindert, nach Moria zu fahren und den Menschen zu helfen.
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