Muslimischer Antisemitismus

Muslimischer Judenhass in Deutschland - ein verdrängtes Problem

Stephan Sohr

Chefredakteur Nürnberger Zeitung

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17.5.2021, 14:56 Uhr
Über 3500 Menschen demonstrierten am Wochenende in Berlin - vermeintlich nur gegen die Politik Israels. Dabei blieb es allerdings nicht.

© STEFANIE LOOS, AFP Über 3500 Menschen demonstrierten am Wochenende in Berlin - vermeintlich nur gegen die Politik Israels. Dabei blieb es allerdings nicht.

An klaren Worten hat es wieder einmal nicht gefehlt. "Die volle Härte des Gesetzes" drohte Bundesinnenminister Seehofer all jenen an, die in Berlin und anderswo unter dem Deckmantel der Kritik an Israels Politik blanken Antisemitismus verbreiteten, zu Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen aufriefen oder das Vorgehen des israelischen Militärs gegen militante Palästinsenser mit der Genozidstrategie des Nationalsozialismus gegen die Juden verglichen.

Blanker, gewalttätiger Judenhass

Bundespräsident Steinmeier versicherte, Judenhass werde, egal wer ihn verbreitet, nicht geduldet; aus der SPD-Bundestagsfraktion werden Strafrechtsverschärfungen für verhetztende Beleidigungen gefordert. Ja, an klaren Worten hat es nicht gefehlt. Nur: Sie kamen - wieder einmal - zu spät. Nämlich dann, wenn - wieder einmal - genau das, was laut Steinmeier nicht geduldet wird, sich auf deutschen Stráßen Bahn bricht: blanker, gewalttätiger Judenhass.

Die "klaren Worte" kamen nicht nur zu spät; sie sind auch wohlfeil. Wohlfeil sind sie deshalb, weil das Problem, das sich in solchen verharmlosend "Demonstrationen" genannten mob-ähnlichen Aufmärschen manifestiert, seit Jahren bekannt ist: Antisemitismus und Judenhass haben Rechtsextremisten nicht exklusiv für sich. Auch im linken politischen Spektrum sind Klischees von der jüdischen Weltherrschaft weit verbreitet und hinter vermeintlicher Kritik an der Politik Israels verbirgt sich nichts anderes als die Ablehnung des "imperialistischen" Judenstaates. Und dass es in der muslimischen, vor allem aber muslimisch-arabischen Community tradierten, von Generation zu Generation weitergegebenen Hass auf Israel und das Judentum allgemein gibt, ist ebenfalls nichts Neues.

Nährboden für Antisemitismus

Wird aber von der Politik - und erschreckenderweise auch von der Wissenschaft - nicht so richtig gern behandelt, weil der Fokus eher der Integration gilt. Was an sich ja richtig und wichtig ist. Doch darf dabei nicht blauäugig übersehen werden, dass es im muslimisch-arabischen Milieu einen Nährboden für beinharten, gewaltlegitimierenden Antisemitismus gibt. Dieser Nährboden ist durch die Flüchtungszuwanderung der Jahre 2015 und folgende eher noch fruchtbarer geworden.


Kriminalbeamte: Antisemitismus genauer in den Blick nehmen


Nachdem nun angesichts der Geschehnisse vom Wochenende für jeden im Lande öffentlich sichtbar geworden ist, was schon lange vorher offensichtlich war, kann die Politik nicht einfach darüber hinweggehen. Straf- und ausländerrechtlich sind alle rechtsstaatlich möglichen Register zu ziehen und nachzuschärfen. Die Wissenschaft ist dringend aufgefordert, den muslimisch geprägten Antisemitismus im Lande zu erforschen. Polizei, Verfassungsschutz und Justiz müssen dieses Milieu stärker als bisher unter die Lupe nehmen. Und letztlich müssen diejenigen in den muslimischen Gemeinden, die auf dem Boden des Grundgesetzes und zur deutschen Staatsräson stehen, die Linie vorgeben. Sonst machen es andere.

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