Nach Halle: Wir brauchen Versöhnung statt Hass

Alexander Jungkunz

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10.10.2019, 07:00 Uhr

Das erinnert an den Terror von Christchurch im März. Wieder ein Einzeltäter, wieder ein Gotteshaus als Ziel – in Neuseeland eine Moschee, in Halle eine Synagoge. Die war zum Glück so gut gesichert, dass es nicht zum beabsichtigten Blutbad kam. Danach erschoss der deshalb frustrierte Täter zwei Menschen, einen in einem Döner-Imbiss.

Die Ziele und auch das Datum deuten klar auf Terror von rechts. Die Juden feiern derzeit ihr höchstes Fest – Jom Kippur. Der Versöhnungstag, das Versöhnungsfest. Wer an so einem Tag eine Synagoge zu stürmen versucht, der will niemals Versöhnung, der setzt seinen Hass in nackte Gewalt um – Gewalt gegen das, was Nationalisten und Rechtsradikalen fremd erscheint und für sie unerwünscht ist: neben jüdischem Leben auch ein Döner-Imbiss. Da stoßen offenbar Parolen von der angeblichen "Umvolkung" Deutschlands und vom geplanten "Bevölkerungsaustausch", wie sie Rechtspopulisten verbreiten, auf ihr schlimmstes, für andere tödliches Echo.


Täter ist wohl Deutscher - Angriff vermutlich rechtsextrem motiviert


Womöglich war auch die Amokfahrt eines Syrers mit einem gekaperten Lkw in Limburg am Montag Terror, die genauen Ermittlungsergebnisse fehlen noch. Diese Tat, wohl ebenfalls aus Hass entstanden, ging zum Glück noch glimpflich aus. In Halle hat sich in neuer, Internet-tauglicher und dadurch noch widerlicherer Form jener braune Terror wiederholt, den Deutschland schon viel zu oft erlebt hat, auch und gerade hier in der Region: Die Morde an Shlomo Lewin und Frieda Poeschke in Erlangen 1980 durch ein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann. Ebenfalls 1980 das Oktoberfest-Attentat mit 13 Toten. Die Mordserie des NSU mit zehn Toten. Vor kurzem erst der Mord an Walter Lübcke.


Tödliche Schüsse vor Synagoge: Fränkische Polizei alarmiert


Seit Monaten häufen sich die Meldungen von antisemitischen Übergriffen: Attacken auf Rabbiner und Juden, offen aggressive Hetze bei Anti-Israel-Demos in Berlin. Oft erstaunlich bis skandalös milde Reaktionen von Polizei und Justiz auf derartige Taten. So entsteht ein brisanter, unerträglicher Mix aus seit langem in Deutschland verwurzeltem und auch im Zuge der Flüchtlingswelle eingewandertem Antisemitismus islamistischer Prägung.

Zu hoffen ist nun auf rasche Aufklärung. Zu erleben war bereits kurz nach dem Terror ein Schulterschluss all derer, die eintreten gegen Rassismus und Antisemitismus. Die große Mehrheit in Deutschland, die – egal, welche Wurzeln und welchen Glauben sie hat – Versöhnung will statt Ausgrenzung, muss enger zusammenstehen. Wir alle brauchen Jom Kippur, ein Versöhnungsfest: jetzt erst recht und allem Hass zum Trotz!

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