Nach Landtagswahlen: Regierung ohne CDU auch im Bundestag möglich?

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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14.3.2021, 19:58 Uhr

Der dunkle Anzug von Paul Ziemiak passte schon mal ganz gut zur Stimmung im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Dem CDU-Generalsekretär hätte nur noch eine schwarze Krawatte gefehlt, um optisch vollends an eine Trauerveranstaltung zu erinnern. Denn nichts anderes war es, was sich da in der coronabedingt schwach besetzten Parteizentrale abspielte. Ein sehr schlechtes Ergebnis bei einer Landtagswahl zu erzielen, ist schon schlimm. Gleichzeitig zwei sehr schlechte Ergebnisse einzufahren, das ist fatal.


Prognosen bestätigen SPD und Grüne


"Kein guter Wahlabend" sei das, fasste der Generalsekretär zusammen. Zweimal das historisch schlechteste Ergebnis in einem Land - so hatten das die Christdemokraten noch vor zwei, drei Wochen nicht erwartet. Doch dann kamen zu schwachen Spitzenkandidaten die Versäumnisse bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hinzu und am Ende auch noch die Korruptionsvorwürfe gegen Bundestagsabgeordnete der Union. Und plötzlich sieht das gerade erst angelaufene Wahljahr 2021 ganz anders aus.

Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen sprach es ganz offen aus: Nun müsse die CDU damit rechnen, dass ab September eventuell auch im Bund gegen sie regiert werden könne. Er bezog sich dabei auf die Ergebnisse in Baden-Württemberg, die zumindest rein rechnerisch ein Bündnis aus Grünen, FDP und SPD erlauben würden. Diese Form einer Koalition ist seit einiger Zeit auch für den Bundestag im Gespräch.

Armin Laschet blieb erst einmal auf Tauchstation

Einer hielt sich an diesem Wahlabend zurück. Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet wird erst morgen ausführlich zu den Ergebnissen in den beiden Bundesländern Stellung nehmen. Alle betonen zwar, dass die Niederlagen ihm persönlich nicht zur Last gelegt werden könnten, weil er erst wenige Wochen im Amt ist. Aber als Chef trägt er natürlich trotzdem einen Teil der Verantwortung. Das kommt für ihn sehr ungünstig, wo er sich doch im Wettbewerb mit Markus Söder um die Kanzlerkandidatur befindet. Bis spätestens Mai dürfte diese Entscheidung fallen - und die Ergebnisse von Stuttgart und Mainz wird Laschet bis dahin als Ballast mit sich schleppen müssen.

Das krasse Gegenteil der Union war bei den Grünen zu erleben. Sie werden vermutlich in beiden Ländern weiterregieren und - vor allem - in Baden-Württemberg ihren Ministerpräsidenten behalten. Das betrachtet die Partei als einen Beleg dafür, dass man ihr die Regierungsgeschäfte anvertrauen kann, auch auf Bundesebene. Cem Özdemir, einer der bekanntesten Grünen-Politiker in Deutschland, geht von einer weiteren Stärkung für seine Partei aus. Er selbst wird übrigens als möglicher Regierungschef in Stuttgart gehandelt, falls Winfried Kretschmann vorzeitig zurücktreten sollte.


Kommentar: Ein Dämpfer für die CDU


Die Grünen sehen sich nun in der komfortablen Situation, im Herbst eventuell auch in Berlin als Anführer einer Ampelkoalition im Gespräch zu sein - so, wie das vielleicht demnächst in Baden-Württemberg geschehen wird. Parteichef Robert Habeck warnte schon mal in aller Freundschaft die Union: Es sei "kein Selbstläufer", dass CDU und CSU den nächsten Kanzler stellen dürften.

Malu Dreyer verdoppelt die Werte der Bundes-SPD glatt

Den Sozialdemokraten wäre es am liebsten gewesen, wenn sich an diesem Wahlabend alle Blicke nach Rheinland-Pfalz gerichtet hätten. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte dort die derzeitigen Umfragewerte der Bundes-SPD weit mehr als verdoppelt. Wo die Berliner kaum über 16 Prozent hinauskommen, bringen es die Mainzer auf gut 35 Prozent.

Doch es gab eben auch noch ein anderes Bundesland, zu dem die Spitze der Sozialdemokraten Stellung nehmen musste. Und dort, in Baden-Württemberg, wurden sie geradezu marginalisiert. Sie liegen voraussichtlich mit weitem Abstand hinter Grünen und CDU etwa gleichauf mit AfD und FDP. Das schmerzt, denn auf einer Stufe mit den Rechtspopulisten und der vermeintlichen "Kleinpartei" FDP zu stehen, entspricht so gar nicht den Vorstellungen der ältesten deutschen Partei


Debakel für die CDU, profilierte Köpfe gefragt: Was die Wahlergebnisse zeigen


Kanzlerkandidat Olaf Scholz wollte auf dieses verheerende Ergebnis seiner Stuttgarter Genossen gar nicht so recht eingehen. Seine Rechnung lautet anders. Es sei trotzdem "ein guter Tag" für die SPD gewesen, weil man erkannt habe, "dass eine Regierungsbildung ohne CDU möglich ist". Dass er selbst bei einer Ampelkoalition im Bund wohl kaum Kanzler werden könnte, weil die Grünen seit langem in den Umfragen deutlich stärker sind, betrachtet er nicht als ein entscheidendes Problem. Bis zur Wahl im September sei es ja noch einige Zeit hin, sagte er. Scholz hofft darauf, dass seine Erfahrung als Vizekanzler und Finanzminister die Bürger(innen) am Ende doch noch überzeugen wird, ihr Kreuzchen bei der SPD zu machen.

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