Nach Rückendeckung: Laschet, der ewig Unterschätzte

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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20.4.2021, 15:16 Uhr

Es hat etwas Faszinierendes, Armin Laschet an Tagen zu erleben, an denen es mal wieder so richtig schlecht für ihn gelaufen ist. Solche Tage gab es in letzter Zeit oft. Viel zu oft für jemanden, der Bundeskanzler werden will. Da begegnet einem dann kein verzagter, unsicherer oder gar leicht verzweifelter Mann, wie es zu vermuten wäre, sondern einer, dem rein gar nichts anzumerken ist. Es wirkt fast so, als ob der 60-Jährige immer gelassener würde, je stärker die Stürme um ihn herum toben.


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Wenige Stunden vor dem nächtlichen Entscheidungskampf im Konrad-Adenauer-Haus war das gut zu beobachten. Da trat Laschet, trotz frischen Berliner Wetters nur im Anzug, fünf Minuten lang vor der Parteizentrale auf. Maske runter und los ging´s. Die K-Frage werde jetzt schnell entschieden, sagte er. Obwohl ihn die Realität und Markus Söder mit solchen Behauptungen schon mehrfach widerlegt hatten. Er brachte am Rande sogar noch seine Lebensweisheit unter, dass Wahlkämpfe auch fröhlich geführt werden könnten. Das wäre in dem Moment wohl keinem außer ihm eingefallen.


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Freunde, Wegbegleiter und Biographen erklären sich die Gelassenheit mit dem Lebenslauf von Laschet. Seine Karriere sei dermaßen oft auf der Kippe gestanden oder sogar für gescheitert erklärt worden, dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben sei, als sich einen gewissen Fatalismus zuzulegen. Dazu kämen die angeborene rheinländische Fröhlichkeit und selbstverständlich auch seine tiefe Verankerung im christlichen Glauben. Der Aachener wäre übrigens der erste Bundeskanzler, der schon mal Chefredakteur einer Kirchenzeitung gewesen ist.

Niederlagen in Serie

Um nur einige seiner Niederlagen und knappen Siege aufzuzählen: Das erste Bundestagsmandat verlor er als junger Mann nach nur einer Legislaturperiode wieder, seinen Wechsel ins Europaparlament bewerkstelligte er parteiintern mit einer Stimme Mehrheit, seine Zeit als Integrationsminister von NRW endete mit dem Verlust der Regierungsmehrheit, als Spitzenkandidat für die Landtagswahl unterlag er Norbert Röttgen. Und als er schließlich doch Ministerpräsident wurde, hatte er nur eine Stimme mehr als nötig.

Mit solchen Erfahrungen im Rücken kann man es dann offensichtlich auch verkraften, wenn einen die Kanzlerin in der Talkshow von Anne Will öffentlich wegen der Corona-Politik abkanzelt und wenn man im Verhör durch Markus Lanz denkbar schlecht ausgesehen hat. Die Angelegenheit bei Lanz war wirklich bemerkenswert. Wo ein Schäuble oder ein Söder mit größter Nonchalance das Gespräch an sich reißen, da versank Laschet immer tiefer in seinem Sessel und fand schließlich keine Worte mehr.


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Nun hat der ewig Unterschätzte "nur noch" eine, allerdings die schwierigste Hürde vor sich: die Wählerinnen und Wähler. Wenn diese die Union Ende September mit rund 30 Prozent ausstatten würden, dann stünden seine Chancen gut, neunter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden. Mit seiner Vorgängerin hätte er schon mal eine große Gemeinsamkeit: Auch Angela Merkel wurde anfangs chronisch unterschätzt, sogar noch am Wahlabend 2005, ehe sie dann 16 Jahre lang ungefährdet durchregierte.

Beharrlichkeit als Qualitätsfaktor

Dass Beharrlichkeit eine nicht zu vernachlässigende Qualität in der Politik ist, bewies Merkel oft. Schwer erträgliche Typen wie Silvio Berlusconi und Donald Trump saß sie einfach aus. Und auch in der Innenpolitik blieb sie letztlich Siegerin über den CSU-Chef Horst Seehofer. Selbst wenn dieser sie öffentlich gedemütigt hatte. Solch ein nach außen gleichmütiges Verhalten wäre auch Laschet zuzutrauen.

Die beiden sind sich auch in anderer Hinsicht ähnlich. In der Flüchtlingskrise, als sich viele von der Kanzlerin abwandten, blieb Laschet stets an der Seite von Merkel. Sein Führungsstil erinnert an den ihren. Beide neigen nicht dazu, auf den Tisch zu hauen, um Entscheidungen herbeizuführen. Es ist eher ein tastendes Suchen nach Mehrheiten, das sie praktizieren. Man kann es auch integrativ nennen. Andere Meinungen werden einbezogen, eine breite Mehrheit von Mitte links bis Mitte rechts soll mitgenommen werden.

Angesichts einer Pandemie globalen Ausmaßes ist das nicht unbedingt der Stil, den die Bürger(innen) schätzen. Ministerpräsident Armin Laschet verdarb sich in dieser Zeit viele Sympathien. Er schwankte bei seinem Corona-Kurs zwischen Lockerung und Schließung, erfand das rätselhafte Wort "Brückenlockdown" und ließ dann nach einem Jahr Erfahrungen mit Covid_19 wissen, er müsse nun über Ostern mal ein wenig nachdenken. Das alles hätte ihn um ein Haar die Kanzlerkandidatur gekostet. Ein, zwei CDU-Granden mehr auf Söders Seite - und es hätte reichen können für den Nürnberger.

Kunstkataloge im Büro

Die entscheidende Frage für einen Wahlsieg der Union wird es sein, ob Armin Laschet seine Persönlichkeitswerte in den kommenden fünf Monaten verbessern kann. Seit Monaten sind diese Zahlen der Meinungsforschung schlicht unterirdisch. Er lag regelmäßig mit klarem Abstand hinter allen anderen, die als Kanzler(in) in Frage kamen: also Söder, Scholz, Habeck und Baerbock. Das ist es auch, was die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten bis heute an ihm zweifeln lässt. Sie hatten vor gut einer Woche in der Fraktion ein regelrechtes Tribunal über ihn veranstaltet. Wenn einer in der Lage ist, das später, im Erfolgsfalle, zu vergessen und verzeihen, dann Laschet.


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Als Politiker tickt der 60-Jährige anders als viele seiner Kollegen. Der Zigarilloraucher ist nicht auf höchste Effizienz getrimmt und denkt auch an andere Dinge. So wird beschrieben, dass man in seinem Büro in der Düsseldorfer Staatskanzlei durchaus auch aufgeschlagene Kunstkataloge entdecken kann. Und im Fasching, pardon: Karneval, ist er häufig mit Narrenkappe unterwegs.

Wer in den zurückliegenden zwei Wochen die Kommentare über Armin Laschet in vielen Medien und erst recht in den sozialen Netzwerken verfolgt hat, der konnte den Eindruck gewinnen: Deutschland soll von einem Schussel regiert werden. Von einer Art Mister Bean der Politik. Ein Kronzeuge gegen diese These ist ausgerechnet sein größter Rivale.

Markus Söder warnte im Oktober 2020 als Stargast bei der Vorstellung einer Laschet-Biographie in Berlin davor, den Rivalen zu unterschätzen. Gleich drei Mal erwähnte der Nürnberger während dieser Veranstaltung, welche Leistung es gewesen sei, bei Wahlen Nordrhein-Westfalen zu erobern. Das ist nur das bevölkerungsreichste Bundesland der Republik, in dem jeder fünfte Deutsche lebt, sondern auch SPD-Stammland. Söder scheint sein Kompliment wirklich ernst gemeint zu haben. Jedenfalls lächelte er nicht dabei.

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