Klima-Ikone auf Abwegen
Parteinahme für Palästinenser: Greta Thunberg demontiert sich selbst
15.11.2023, 11:00 UhrSchuster, bleib bei deinen Leisten, möchte man Greta Thunberg zurufen. Die Selbstdemontage der Klimabewegungs-Ikone nimmt dramatische Züge an. Zunächst fiel die Schwedin durch einen Post in den sozialen Medien mit einer unpassenden Solidaritätsadresse an die Palästinenser auf, doch viele ihrer Unterstützer hofften wohl auf einen einmaligen Ausrutscher der 20-Jährigen.
Als ob in Gaza Gerechtigkeitsfanatiker sitzen
Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: In Amsterdam erneuerte Thunberg ihre Parteinahme und verteidigte ihre Ansichten. Sie appellierte - mit einem schwarz-weißen Palästinensertuch um den Hals - dazu, "auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen". Mehr Geschichtsumdeutung geht kaum: Als ob der Gaza-Streifen ein Hort von Gerechtigkeitsfanatikern wäre! Thunberg will nicht wahrhaben, dass die Hamas dort ihre Terroristen stationiert hat, dass die brutalen Mörder von dort aus am 7.Oktober Israel überfallen haben.
Nun sind derlei Bekundungen in diesem Tagen leider keine Seltenheit, doch der Fall Thunberg liegt anders: Sie ist Klimaaktivistin mit hoher Glaubwürdigkeit. Und sie wird von Hunderttausenden von Jugendlichen und Erwachsenen als die Vorkämpferin im Kampf gegen die Erderwärmung gesehen. Diese Anerkennung hat sie sich mit friedlichen Mitteln erarbeitet - beginnend als Teenagerin mit ihrem wöchentlichen Schulstreik in Stockholm. Daraus entstand die Fridays-for-Future-Bewegung.
Anders formuliert: Thunberg trägt als Klima-Ikone auch eine besondere Verantwortung. Dieser wird sie nicht gerecht - und das aus mehreren Gründen. Erstens, weil sie ihr Kerngebiet, in dem sie tiefe Kenntnisse erworben hat, ohne Not verlassen hat, um nun bei höchst komplexen weltpolitisch-relevanten Fragen mit stark vereinfachten (und teils schlicht falschen) Behauptungen aufzufallen.
Greta Thunberg stößt ihre Unterstützer vor den Kopf
Zweitens stößt Thunberg mit ihren Aussagen all diejenigen Unterstützerinnen und Unterstützer vor den Kopf, die auf eine Klimademo gehen wollen und sich unfreiwillig mitten in der Debatte über den Nahostkonflikt wiederfinden. „Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land“, skandierte Thunberg jüngst und zog damit eine seltsame Verbindung zu ihrem eigentlichen Thema.
Schließlich, und das ist der gravierendste Punkt, macht sich die Aktivisten verdächtig, hochgradig naive oder im schlimmsten Fall sogar antisemitisch-motivierte Aussagen in die Welt zu setzen. Die Vehemenz der Kritik von den Grünen bis zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden macht jedenfalls deutlich, wie dünn das Eis ist, auf das sich Greta Thunberg begeben hat.
Schade. Denn das entschlossene, konsequente Auftreten der jungen Frau für mehr Klimaschutz hatte etwas Ansteckendes. Einen Teil ihres Vertrauens hat sie leichtfertig verspielt.