Prof. Dr. Eckhardt begrüßt die Organspende-Reform

03.03.2012, 11:00 Uhr
Prof. Dr. Eckhardt begrüßt die Organspende-Reform

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NZ: Wie beurteilen Sie die geplante Gesetzesänderung?

Kai-Uwe Eckardt: Ich glaube, wir sollten optimistisch sein. Ich begrüße, dass es zu einer fraktionsübergreifenden Einigung gekommen ist. Es ist eine Chance. Ob es wirklich einen Durchbruch gibt, hängt davon ab, wie man es ausgestaltet.

NZ: Geht Ihnen die Regelung weit genug?

Eckardt: Alle Befürworter der Transplantationsmedizin sind der Meinung, dass Organspende freiwillig bleiben muss. Aber auch die alternativ diskutierte Widerspruchsregelung ist eine Lösung, die durchaus geeignet ist, den freien Willen des Betroffenen umzusetzen (dabei wird jeder zum Spender, der nicht aktiv widerspricht, d. Red.). Es geht letztlich nur darum, welches Vorzeichen man davor setzt, was man als gesellschaftliche Normalität fixiert. Ich bleibe dabei, dass mir die Widerspruchslösung am liebsten gewesen wäre. Wenn dafür kein Konsens zu erreichen ist, muss man jetzt diese Chance nutzen.

NZ: Warum tut man sich mit diesem Thema in Deutschland so schwer? In Österreich und Spanien etwa gibt es die Widerspruchslösung ja schon.

Eckardt: Das ist schwer zu sagen. Ich verstehe es auch nicht richtig. Die genannten Beispiele sind Länder, die in ihrem Wertekanon, ihrer ethischen und christlichen Tradition genau gleich gestaltet sind wie Deutschland. In Österreich gibt es eine andere Autopsie-Gesetzgebung. Darauf konnte das Transplantationsgesetz aufbauen. Das ist eine historische Erklärung. Warum aber die Widerstände in Deutschland so groß sind, ist für mich auch nur schwer verständlich.

NZ: Umfragen belegen, dass 70 Prozent der Deutschen grundsätzlich zur Organspende bereit wären, aber nur jeder Zehnte hat einen Organspendeausweis. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Eckardt: Der Hauptgrund ist die Verdrängung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Interessanterweise stehen gerade junge Menschen diesem Thema sehr aufgeschlossen gegenüber. Kinder und Jugendliche haben einen unverkrampften, rationalen Zugang zu dieser Thematik. Wir werden dieses Jahr zusammen mit der Staatsregierung gezielt Schulklassen ins Transplantationszentrum holen und sie informieren. Wir erwarten, dass die Kinder in ihren Familien die Diskussion anstoßen. Das ist eine ganz wichtige Zielgruppe.

Prof. Dr. Eckhardt begrüßt die Organspende-Reform

© Harald Sippel

NZ: Derzeit bleibt die Entscheidung meist an den Angehörigen hängen.

Eckardt: Ja, und das in einer persönlich extrem belastenden Situation. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist deshalb eine Verpflichtung nicht nur denjenigen gegenüber, die auf eine Organspende warten, sondern auch den eigenen Angehörigen gegenüber. Wohlgemerkt: nur die Auseinandersetzung ist Pflicht, nicht die Organspende. Das ginge zu weit.

NZ: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem als Spender tatsächlich ein Organ entnommen wird?

Eckardt: Wir entnehmen in Deutschland Organe nur bei Hirntoten. Solch eine Situation tritt bei weniger als einem Prozent aller Todesfälle auf, es ist eine sehr seltene Situation. Auch das könnte man als Argument für die Widerspruchslösung ansetzen.

NZ: Viele Bürger haben Angst, dass bei ihnen als Organspender frühzeitig die Therapie beendet wird.

Eckardt: Genau das Gegenteil ist der Fall! Nie wird die Todesfeststellung im medizinischen Alltag mit so viel Aufwand betrieben, wie bei der Hirntodfeststellung vor einer Transplantation. Das klingt etwas makaber, aber wer absolut sicher gehen möchte, dass der Tod mit der größtmöglichen Sorgfalt festgestellt wird, der sollte Organspender werden.

NZ: Gibt es eine Altersgrenze für Organspender?

Eckardt: Nein, die gibt es nicht. Angesichts des Organmangels, den wir haben, lässt man sich auch kreative Programme einfallen. Bei der Nierentransplantation gibt es das Senior-Programm, bei dem Nieren von Spendern über 65 Jahren ganz gezielt Empfängern über 65 vermittelt werden. Einem Empfänger aus derselben Altersgruppe kann damit ganz erheblich geholfen werden.

Organspenderausweise gibt es bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation unter www.dso.de
 

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