"Reichsbürger" bei der Polizei sind unhaltbarer Zustand
24.10.2016, 06:00 UhrMan muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Ein bayerischer Beamter im gehobenen Polizeidienst, der auch junge Kollegen ausbildet, spricht auf einem einschlägigen Internet-Portal vom Fortbestehen des Reiches und tritt bei der zum Spektrum der "Reichsbürger"-Bewegung gehörenden "Heimatgemeinde Chiemgau" als Redner auf.
Ein anderer Polizist aus dem Freistaat gibt bei einer Verwaltungsbehörde ein Schreiben ab, in dem er offen seine Anhängerschaft zu den "Reichsbürgern" bekundet und sich vom deutschen Rechtsstaat distanziert. Menschen, die dem Staat dienen sollen und einen Eid auf dessen Verfassung geschworen haben, leugnen unverhohlen die Existenzberechtigung dieses Staates.
Ein unhaltbarer Zustand, der angesichts des in Georgensgmünd von einem "Reichsbürger" erschossenen Polizisten einen besonders bitteren Beigeschmack bekommt. Ein junger SEK-Beamter, der die Bevölkerung vor radikalisierten Verfassungsfeinden schützen soll und bei der Erfüllung seines Dienstes ums Leben kommt, hat Kollegen, die mit eben diesen Verfassungsfeinden sympathisieren.
Nicht nur für die Angehörigen des Getöteten muss das ein unerträglicher Gedanke sein, sondern auch für die zahlreichen Mitarbeiter im bayerischen Polizeidienst, die frei sind von rechtem Gedankengut und ihren Dienst getreu nach den Buchstaben des Grundgesetzes ausüben.
Der oft erhobene Vorwurf, dass manche Vertreter von Polizei und Justiz auf dem rechten Auge blind sind, bekommt durch solche Vorfälle neue Nahrung. Fassungslos macht dabei auch die Unverfrorenheit, mit der ein Teil dieser "Reichsbürger" in Uniform ihre Verbindungen zu einer Szene pflegen, die eben nicht nur eine Ansammlung von ein paar zwar lästigen aber eigentlich harmlosen Querulanten ist.
Das zeigt nicht nur die so tragisch verlaufene Razzia in Georgensgmünd, sondern auch die Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen. Zum Beispiel zu dem bekannten Neonazi Gerhard Ittner, der früher in der NPD-Tarnorganisation "Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg" aktiv war und enge Verbindungen zum dem NSU nahestehenden "Thüringer Heimatschutz" hatte.
Diese Kontakte sind seit geraumer Zeit bekannt, und doch hat der bayerische Verfassungsschutz die "Reichsbürger"-Bewegung sträflich unterschätzt. Erst nach den tödlichen Schüssen in Georgensgmünd kündigte Innenminister Joachim Herrmann eine intensivere Beobachtung und härtere Maßnahmen an.
Erst jetzt korrigiert die Bayerische Staatsregierung ihre bisherige Einschätzung, dass es den "Reichsbürgern" in der Regel an einer extremistischen Zielrichtung fehle. Regierung und Verfassungsschutz müssen nun umgehend den bayerischen Polizeiapparat und auch alle anderen Behörden konsequent nach Mitarbeitern mit problematischer politischer Gesinnung durchforsten und auch bessere interne Frühwarnsysteme installieren.
Das sind sie nicht nur dem in Georgensgmünd getöteten Kollegen schuldig.
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