Kulturbürgermeisterin abwesend

Schwere Vorwürfe im Ausschuss: Podcast der Stadt Nürnberg zensiert? Sitzung bringt wenig Klarheit

Verena Gerbeth

nordbayern.de

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14.03.2025, 15:29 Uhr
Vor dem Kulturausschuss wurde am Freitag, 14. März, die Streichung von Aussagen aus einem Podcast des Bildungszentrums diskutiert.

© Imago, Collage: nb Vor dem Kulturausschuss wurde am Freitag, 14. März, die Streichung von Aussagen aus einem Podcast des Bildungszentrums diskutiert.

Etwa alle zwei Wochen veröffentlicht das Bildungszentrum Nürnberg den Podcast "KontaktAufnahme". Seit 2020 kommen dort vor allem Menschen zu Wort, die sich sozialpolitisch in der Stadtgesellschaft oder überregional engagieren, so auch am 28. November 2024. "Wie gehen wir mit geflüchteten Menschen um?" - lautet die damals hochgeladene 115. Folge, in der die Moderatorin über eine Stunde lang ein Gespräch mit Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat führt. Doch schon kurz darauf ist der Podcast offline. Wenige Tage später ist die damals aktuelle Folge wieder abrufbar, allerdings um etwa zehn Minuten gekürzt.

Was war passiert? Darüber gab es widersprüchliche Aussagen, die Fragen nach politischer Einflussnahme aufwerfen und so das Thema am Freitag in den Nürnberger Kulturausschuss brachten - auf Anträge der Grünen sowie der Politbande.

Denn Böhm kontaktierte nach eigener Aussage damals die Redaktion des Podcasts, will wissen, was mit der Aufnahme passiert sei. Sie habe dann zu hören bekommen, "dass die Pressesprecherin von Markus Söder sich wohl bei der Stadt Nürnberg gemeldet habe", daraufhin sei die Folge offline gestellt worden, berichtete Böhm zunächst "BR24" und bestätigte dies kurz darauf auch unserer Redaktion. Besonders brisant: Während Kritikpunkte an der Bundesregierung im Podcast verblieben, sollen Böhms Ausführungen zu Tauschaktionen der Bezahlkarte und Aussagen zu Markus Söder gestrichen worden sein.

Das in Bayern angewandte System der Bezahlkarte für Asylbewerber steht bei einigen Initiativen als diskriminierend in der Kritik. Bei den in der ersten Podcastversion erklärten Aktionen können Einkaufsgutscheine gegen Bargeld getauscht werden - das Vorgehen stößt vor allem der CSU sauer auf.

Die Staatskanzlei sowie die Stadt Nürnberg wiesen diesen Vorwurf der Einflussnahme strikt zurück. "Die Zuständigkeit und Verantwortung für städtische Einrichtungen wie das Bildungszentrum liegt ausschließlich bei der Stadt Nürnberg. Es gab und gibt dazu keinerlei Anweisung der Staatskanzlei", antwortete diese auf Anfrage. Auch Arne Zielinski, Direktor des Bildungszentrums Nürnberg beharrte darauf, die Kürzungen - drei Stellen betreffend - selbst beauftragt zu haben: "Das Bildungszentrum der Stadt Nürnberg hat eine Podcast-Aufnahme aus eigener Initiative für kurze Zeit von der Website genommen und ohne Einflussnahme von außen überarbeitet", sagte er im Dezember gegenüber nordbayern.de.

Die Kürzungen wurden nach Wiedererscheinen der Folge nicht kenntlich gemacht. "Selbst ohne Einflussnahme der Staatsregierung bleibt die Entscheidung der Stadt Nürnberg fragwürdig", sagte dazu Franziska Sauer vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Politbande und Grüne forderten Aufklärung

Bis zuletzt blieb der Ablauf der Streichungen nebulös. Grüne und Politbande forderten einen Bericht zu den Kürzungen. "Wenn kritische Aussagen über die CSU aus einem Bildungsformat entfernt werden, aber Kritik an der Bundesregierung stehen bleibt, dann hat das mit Neutralität nichts zu tun – sondern mit politischer Einflussnahme", so Ernesto Buholzer Sepúlveda im Vorfeld der Sitzung von der Nürnberger Politbande.

Neben den Anschuldigungen sollte laut Grünen-Antrag auch geklärt werden, inwieweit es einen Anruf der Pressesprecherin bei der Kulturbürgermeisterin oder beim Leiter des BZs hinsichtlich des Podcasts überhaupt gegeben hat. Doch Julia Lehner selbst war am Freitag gar nicht in der Sitzung des Kulturausschusses anwesend, da sie in Berlin an den Koalitionsverhandlungen teilnahm. Den mündlichen Bericht legte ausschließlich der BZ-Direktor ab. Grüne und Politbande machten ihrem Unmut darüber Luft. Bereits vor dessen Redebeitrag unterstrich Réka Lörincz von den Grünen: "Wir hätten uns eine schriftliche Vorlage gewünscht und auch, dass die Kulturbürgermeisterin an der Sitzung teilnimmt." Es gehe hier jedoch hauptsächlich um die Schaffung von Transparenz.

BZ-Direktor Zielinski erklärte schließlich vor dem Ausschuss erneut, dass er aufgrund der Einhaltung des Neutralitätsgebots drei Passagen aus dem Podcast nehmen ließ - zwei von Johanna Böhm sowie eine Aussage der Moderatorin. Bei den Kürzungen habe es sich unter anderem um eine nicht belegte Behauptung gehandelt, parteipolitische Äußerungen des Gasts seien aber nicht gestrichen worden. "Ich habe das falsch eingeschätzt, ich bedaure zutiefst, dass es zu Missverständnissen kam", sagte er vor dem Kulturausschuss zu der "Eskalation", die das Vorgehen verursacht hatte.

Deutlich zu wenig Aufklärung für die Politbande: "Es liegt hier kein schriftlicher Bericht vor und es wurde auch nicht auf die darin gestellten Fragen eingegangen", schloss Ernesto Buholzer Sepúlveda nach dem mündlichen Statement. Das Argument der Einhaltung des Neutralitätsgebots könne nicht greifen, dabei gehe es um das Gesamtbild des BZ und nicht um eine einzelne Folge, so der Vertreter der Politbande. Und weiter: "Es geht um eine starke Anschuldigung von außen, die vor dem Ausschuss mit einem mündlichen Beitrag abgebügelt werden soll."

Laut Lörincz sei es nun im "Interesse von Verwaltung und Politik, Vertrauen herzustellen, dazu brauchen wir Fakten auf dem Tisch und keine Vorwürfe und kein Hörensagen." Parteiübergreifend soll nun über einen neuen Antrag abgestimmt werden, auch eine rechtliche Begutachtung und ein Transkript des Podcasts standen am Freitag zur Debatte. Im nächsten Kulturausschuss kommt die Angelegenheit also erneut auf den Tisch.

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