Skepsis in der CSU: Wie stehen Söders Chancen auf die Kanzlerkandidatur?
11.4.2021, 16:15 UhrUmfragen können eine Waffe sein. Das weiß auch Markus Söder. Fallen sie nicht zu seiner Zufriedenheit aus, erklärt er sie zu Momentaufnahmen, zu einem zufälligen Blick auf einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. Passen sie ihm, sieht das schon anders aus.
Im Moment passen sie perfekt. Und so erhebt er die Umfragen neuerdings zur entscheidenden Messlatte in der Frage, wen die Union ins Rennen um das Kanzleramt schicken soll, ihn oder CDU-Chef Armin Laschet. Söders Reputation ist bundesweit beachtlich. Laschet dagegen verstolpert einen Auftritt nach dem anderen. Sein Ansehen in der Bevölkerung ist mäßig.
Ein Machtmensch
Söder, so glauben viele im Land, hätte das Zeug zum Kanzler. Auch in der CSU sind sich die meisten sicher, dass er zugreifen würde, sollte die CDU ihm die Kandidatur anbieten. "Wenn Laschet ihn fragen würde", sagt einer, der Söder seit langem kennt, "läge seine Bedenkzeit bei Null." Söder sei "ein Machtmensch, er ist überproportional ehrgeizig. Niemand in dieser Liga würde so ein Angebot ausschlagen."
Die Frage ist nur, ob das Angebot kommen wird. Und da sind sie sich quer durch die Führungsetage der CSU erstaunlich einig. So wie sie sich darin einig sind, dass das Thema schnell entschieden werden muss. Spitzenpolitiker wie Manfred Weber oder Alexander Dobrindt drängen. Andere warnen, es mache "keinen guten Eindruck, wenn das über Wochen und Monate verschleppt wird". Söder spiele auf Zeit, sagt ein Spitzenmann. "Er genießt es, dass er als einer von zwei Protagonisten auf der großen Bühne im Scheinwerferlicht stehen kann." Ist die K-Frage entschieden, sagt er, "bleibt ihm nur noch die Nebenbühne."
Es gibt nicht viele in der CSU, die Söder tatsächlich als Kanzlerkandidaten sehen, zumindest nicht in diesem Jahr. Karl Freller gehört zu dieser Minderheit. "Söder kann Kanzler", sagt Freller, der für die CSU den Stimmkreis Nürnberg-Süd betreut. "Und die Wahrscheinlichkeit wächst, dass er es auch wird." Auch Freller verweist auf die Umfragen und auf das Gefälle, das sich auftut zwischen Söder und Laschet. "Wenn das weiter so groß bleibt oder noch größer wird, dann wächst bei den Bundestagsabgeordneten die Sorge um ihre Mandate. Und da ist ihnen das Hemd näher als der Rock."
Tatsächlich haben sich bereits mehrere CDU-Abgeordnete gemeldet und Söders Kandidatur eingefordert. Auch das registrieren sie in der CSU aufmerksam. Und weisen sofort darauf hin, dass es sich um Hinterbänkler handele, "um Leute, die nichts zu sagen haben." Es sei auffällig, wie bedeckt sich die zweite, vor allem aber die erste Reihe im CDU-Establishment verhalte, sagt ein CSU-Stratege. "Da kommt überhaupt nichts in Richtung Söder."
Taktischer Fehler?
Söder ist bei den Spitzenleuten der CDU nur mäßig beliebt. Sie sind genervt von seinen ständigen Belehrungen. Dass er vor wenigen Tagen ausgerechnet mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann allen anderen Länderregierungschefs einen Brief geschrieben und sie an ihre Verantwortung in der Pandemie erinnert hatte, das sei "ein schwerer taktischer Fehler gewesen", sagt einer in der CSU. "So etwas geht nicht, und schon gar nicht wenige Monate vor der Bundestagswahl." Und erst recht nicht mit den Grünen, dem Hauptgegner der Union.
Söder bestätige das Bild, das außerhalb des Freistaates viele von der CSU haben, "Diese dauernde Besserwisserei ertragen viele nicht." Die bayerische Kraftmeierei komme nirgends gut an, auch nicht der Hang zur Selbstüberschätzung, der zu dieser "Anti-Bayern-Stimmung" bundesweit beitrage. Auch wenn der Eindruck im Moment ein anderer sei, "ein Kanzlerkandidat Söder wird weniger Stimmen holen als Laschet", sagt der CSU-Mann.
Ein anderer erinnert an das Jahr 2002. Damals hatte Angela Merkel dem CSU-Chef Edmund Stoiber die Kandidatur überlassen. "Merkel war jung. Und in der CDU hat es eine starke Gruppe um Roland Koch gegeben, die ihre Kandidatur verhindern und Stoiber haben wollte." Heute, sagt der Politiker, "sehe ich diese Situation nicht. Da macht sich niemand für Söder auch nur ansatzweise stark."
Weißer Ritter
Das könnte sich für Söder womöglich sogar auszahlen. Scheitert Laschet als Regierungschef, könne Söder in einigen Jahren als weißer Ritter erscheinen und die CDU dann retten. "Er könnte so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, weil er in Bayern ja nur zwei Legislaturperioden als Ministerpräsident hat."
Ihm fehle schlicht die Fantasie, sagt ein anderer CSU-Funktionär, warum Laschet dem Bayern den Vortritt lassen sollte. "Er hat ein Jahr hart um den Parteivorsitz gekämpft und damit um die Kanzlerkandidatur. Das gibt er doch jetzt nicht einfach auf." Für Laschet sei "das eine politische Existenzfrage. Lässt er Söder den Vortritt, ist er politisch enthauptet." Das sei sein Ende als Parteichef und selbst sein Posten in Nordrhein-Westfalen könne gefährdet sein. "Wenn er sich gegen Söder nicht durchsetzen kann, kostet ihn das seine Autorität", sagt der CSU-Stratege. "Daran hat niemand in der CDU ein Interesse. Die wollen endlich Ruhe in den eigenen Reihen und nicht schon wieder ein monatelanges Gezerre um den Vorsitz."
Vor allem aber will die CDU, davon sind sie in der kleinen Schwesterpartei überzeugt, den Bayern das Kanzleramt nicht ohne Not und auf Jahre überlassen. "Da geht es um Macht, um Gestaltungsspielraum und um Selbstbewusstsein", sagt ein CSU-Funktionär. "Die verzwergen sich doch nicht freiwillig und machen uns groß."
Im Moment übernimmt Söder das für die CDU. Seine Spitzen gegen Armin Laschet dienten vor allem der eigenen Profilierung, sagt ein CSU-Mann. Das sei riskant. "Wenn Laschet Kandidat wird, muss Söder sich hinter ihn stellen und das überzeugend tun." Je mehr er ihn aber attackiere, desto schwieriger werde das später. Niemand, sagt ein anderer, solle Laschet unterschätzen. "Er ist rhetorisch sicher ungeschickt. Aber er ist nicht dumm. Er wird die Truppen in der CDU hinter sich vereinen." Und dagegen komme dann auch ein Söder nicht mehr an.
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