Reform der Ampel

Söder: "Anschlag auf die Demokratie" - so sehr wurde die Union durch neues Wahlrecht benachteiligt

Erik Thieme

E-Mail zur Autorenseite

23.03.2025, 11:33 Uhr
Söder auf der Internationalen Handwerksmesse IHM München am 12.03.2025.

© IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON Söder auf der Internationalen Handwerksmesse IHM München am 12.03.2025.

Die Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung schlug große Wellen. Um den Bundestag auf maximal 630 Abgeordnete zu begrenzen, schafften Grüne, SPD und FDP die Überhangs- und Ausgleichsmandate ab. Bislang zählte der Deutsche Bundestag zu den größten Parlamenten der Welt.

Doch viele Abgeordnete kosten nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Mit wachsenden Abgeordnetenzahlen wächst auch die Größe der Ausschüsse. So wird die Arbeit in eben diesen Ausschüssen immer komplizierter, kritisierte unter anderem Claudia Roth (Grüne). Das Problem: Den Bundestag können nur die Abgeordneten selbst verkleinern. Mit einer Reform würden sich einige Parlamentarier damit um den eigenen Job bringen.

Union sieht sich stark benachteiligt

Trotzdem brachte die Ampel-Regierung eine Reform auf den Weg. Das Bundesverfassungsgericht bewertete zwar einige Teile des neuen Wahlrechts als verfassungswidrig, die Begrenzung des Bundestags blieb jedoch bestehen. Schon damals erntete die Reform viel Kritik, in erster Linie von der Union. Friedrich Merz warf der Ampel mangelnde Kompromissbereitschaft vor und kündigte an, dass das Wahlrecht wieder auf die Tagesordnung komme, sobald die Union wieder an der Regierungsbildung beteiligt sei.

Noch deutlicher wurde der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Bereits im März 2023 drohte er, gegen die Reform Verfassungsklage einzureichen. Die CSU erklärte damals, die Pläne für klar verfassungswidrig zu halten. Söder ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete die Reform als "Attacke auf die Demokratie". Der gebürtige Nürnberger kritisierte, dass ein gewonnenes Direktmandat den Einzug in den Bundestag nicht mehr garantiere. Doch wie groß sind die Auswirkungen des neuen Wahlrechts wirklich gewesen?

Die realen Auswirkungen

Der am 23. Februar neu gewählte Bundestag ist im Vergleich zur letzten Wahl deutlich geschrumpft. Statt wie bisher 733 dürfen nur noch 630 Parlamentarier nach Berlin. Und tatsächlich ist der von Markus Söder befürchtete Fall eingetreten. Weil es keine Überhangmandate mehr gibt, darf die CSU nur so viele Abgeordnete entsenden, wie ihnen durch das Ergebnis der Zweitstimmen zustehen.

Im Wahlkreis Nürnberg-Nord zieht statt des CSUlers Sebastian Brehm die Grüne Rebecca Lenhard in den Bundestag. Ähnlich ging es Volker Ulrich (CSU), der den Wahlkreis Augsburg-Stadt gewinnen konnte, aber ebenfalls nicht ins Parlament einzog. Nach der Wahl kursierte ein Video, in dem Ullrich die Grünenpolitikerin Claudia Roth verbal angriff und ihr vorwarf, keine Demokratin zu sein.

Ein Schicksal, von dem insgesamt 15 CDU-Politiker und auch drei der CSU betroffen waren. Doch bei einem genaueren Blick ist der von Söder und Co. beschworene Skandal kaum mehr als heiße Luft. Eine ausführliche Analyse der Wahlergebnisse durch die Plattform election.de im Auftrag der Bertelsmann Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass die CDU im Grunde nur indirekt betroffen sei.

Deren Berechnungen zufolge zogen statt der 15 CDUler, die ihren Wahlkreis gewinnen konnten, aber nicht in den Bundestag einzogen, 15 CDU-Politiker aus anderen Landesverbänden über die Listen ins Parlament. Für die große Schwester der CDU ändert sich zahlenmäßig also rein gar nichts, die Reform hat nur andere Gesichter nach Berlin geführt. Die drei CSU-Politiker hingegen konnten nicht über andere Landesverbände gewählt werden, weil die Partei nur in Bayern zur Wahl antritt.

Kaum Unterschiede ohne FDP und BSW

Nach Angaben des Wahlrechtsforschers Robert Vehrkamp hätte das alte Wahlrecht beim Wahlergebnis von 2025 eine Größe des Bundestages von 633 Abgeordneten (statt 630) bewirkt. Hätten FDP und BSW den Sprung ins Parlament geschafft, wären es aber 705 Abgeordnete geworden, weil das alte Wahlrecht im Gegensatz zum aktuellen keinen Deckel für die Zahl der Abgeordneten kannte.

CDU und CSU bestehen darauf, dass das Wahlrecht wieder geändert wird. Dies könnte sich in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD als schwieriger Punkt erweisen.

10 Kommentare