Plan von Union und SPD
Sondervermögen und Neuregelung der Schuldenbremse: Das sagt der Nürnberger Stadtrat zum Finanzpaket
08.03.2025, 09:35 Uhr
Union und SPD haben einen ersten Durchbruch in ihren Sondierungsgesprächen erzielt und ein Finanzpaket von historischem Ausmaß für Verteidigung und Infrastruktur geschnürt. Zum einen soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden, wie die Unterhändler nach ihrer dritten Sondierungsrunde in Berlin verkündeten. Außerdem sollen auch die Länder die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre Schuldenbremse, die bisher besonders streng ist, soll an die etwas flexiblere Bundesregelung angepasst werden. Zusätzlich soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden, 100 Milliarden davon sollen an die Länder und Kommunen fließen.
.
Beide Beschlüsse sollen wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse noch vom alten Bundestag getroffen werden. Allein haben Union und SPD auch dort nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung. Sie brauchen daher Stimmen von Grünen oder FDP. Was sagen die Mitglieder des Nürnberger Stadtrats zu den Plänen? Wir haben nachgefragt.
Marcus König (CSU): "Brauchen kein bürokratisches Monster"

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) äußerte sich als erster Nürnberger Politiker in einer öffentlichen Mitteilung zu dem Vorhaben des Bundes. Er begrüßt die Entscheidung, ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur in Deutschland aufzulegen. "Wir brauchen eine Art Marshallplan, und zwar auch für die Kommunen", so König. Laut seiner Rechnung würden das Sondervermögen für Nürnberg auf die Einwohnerzahl heruntergebrochen ein Plus von gut 680 Millionen Euro bedeuten.
Seiner Ansicht nach benötigen die Kommunen dringend "sehr hohe Investitionen in ihre Infrastruktur – von den Brücken über die Straßen bis hin zum Öffentlichen Nahverkehr – sowie in Bildung, Betreuung und Klimaschutz", findet der Oberbürgermeister. Doch er warnt auch vor einem massiven bürokratischen Aufwand und fordert daher, dass nicht nur Teile von Projekten bezuschusst werden, sondern das Geld eins zu eins an die Kommunen fließen soll - diese wüssten am besten, wie das Geld sinnvoll einzusetzen sei.
Die Entkoppelung der Schuldenbremse vom Verteidigungshaushalt begrüßt König: "Spätestens seit Trumps Auftritt beim Besuch des ukrainischen Präsidenten wissen wir, dass Deutschland und Europa im Zweifel sich selbst helfen müssen."
Nasser Ahmed (SPD): "Geld fließt nicht in Prestigeprojekte"

Der Nürnberger SPD-Vorsitzende und Stadtrat, Nasser Ahmed, sieht das Finanzpaket des Bundes ähnlich positiv und vor allem als Verdienst seiner Partei, wie er in einem Statement unserer Redaktion gegenüber erklärt:
"Das ist eine finanzpolitische Zeitenwende und ein Erfolg der SPD. Im Wahlkampf hat die Union Investitionen noch blockiert, wir haben uns durchgesetzt. Das birgt eine große Chance für den Nürnberger Weg der Investition in Bildung, Soziales und Stadtumbau. (....) Unsere Priorität liegt auf sozialem Zusammenhalt, Bildung und dem notwendigen Stadtumbau zu einer lebenswerteren Stadt."
Auch Ahmed warnt vor zu hohem bürokratischen Aufwand und fordert eine schnelle und unkomplizierte Auszahlung des Betrags aus dem Sondervermögen an Nürnberg. Geht es nach Ahmed, würde das Geld konkret "dort ankommen, wo die Menschen es am meisten spüren", unter anderem in Schulen, Kitas, Straßenbahnen, Sanierung der Brücken, Krankenhäuser und Feuerwehr fließen - das Investitionsprogramm der Stadt hierfür ist mit 2,1 Milliarden Euro veranschlagt.
Kathrin Flach Gomez (Die Linke): "Besorgniserregende Entwicklung"

Die Nürnberger Stadträtin Kathrin Flach Gomez (Die Linke) steht den Plänen nicht so wohlgesonnen gegenüber, wie Nasser Ahmed oder Marcus König. Sie beschreibt sie als "besorgniserregende Entwicklung" und schreibt dazu in einem Statement auf Nachfrage unserer Redaktion: "Während die Schuldenbremse für soziale Investitionen bestehen bleibt, wird sie für Rüstungsausgaben gelockert. Dies zeigt klar, wohin die Reise geht - zu einer massiven Aufrüstungspolitik, die nicht der Sicherheit der Menschen, sondern vor allem der Rüstungsindustrie dient."
Des Weiteren zeigt sie sich besorgt, dass die Mittel tatsächlich dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, was in Nürnberg laut Flach Gomez vor allem die soziale Infrastruktur, öffentlicher Nahverkehr und der Bau von bezahlbarem Wohnraum sei: "alleine zwischen 2010 und 2022 haben sich die Mieten in der Stadt um 66 Prozent verteuert". Ihre Sorge ist, dass die Gelder stattdessen in Projekte wie Sicherheit und Überwachung enden. Sie fordert deshalb, im Gegensatz zu Nürnbergs Oberbürgermeister, eine klare Zweckbindung des Infrastrukturpakets.
Ümit Sormaz (FDP) "Nicht nur kurzfristige Haushaltslöcher stopfen "

Ümit Sormaz, stellvertretender Vorsitzender der Nürnberger FDP und Mitglied des Stadtrats, nennt die geplanten Investitionen in die Infrastruktur in einem Schreiben auf Anfrage unserer Redaktion für "dringend notwendig". Er spricht sich insbesondere dafür aus, die Mittel "nachhaltig und zukunftsorientiert" einzusetzen.
"Wichtig ist, dass diese Investitionen nicht nur kurzfristige Haushaltslöcher stopfen, sondern nachhaltig geplant werden. Wenn dieses Finanzpaket tatsächlich umgesetzt wird, sollte es langfristige Einsparungen und strukturelle Verbesserungen ermöglichen – und nicht nur ein Strohfeuer bleiben."
Darunter versteht Sormaz vor allem, Menschen schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein seiner Meinung nach besonders vernachlässigter Bereich seien die Förderung von Integrations- und Sprachkursen sowie eine Intensivierung von Qualifizierungsmaßnahmen, um Menschen aus der Erwerbslosigkeit zu bringen.
Auch er spricht sich, wie seine Kollegen im Nürnberger Stadtrat dafür aus, dass die geplanten Fördermittel in die Sanierung der maroden Infrastruktur der Stadt gesteckt wird und Brücken, Straßen und städtische Häuser instand gesetzt werden - letztere würde er modernisieren und mit Photovoltaikanlagen ausstatten, um die Ausgaben der Stadt dadurch langfristig zu senken.
Achim Mletzko, Bündnis 90/Die Grünen: Noch zu viele Fragen offen

Der Vorsitzende der Grünen Fraktion in Nürnberg, Joachim Mletzko findet, dass bezüglich des Sondervermögens derzeit noch zu viele Fragen offen sind, um zu beurteilen, ob dies sinnhaftig ist: "Was ist mit der Wehrpflicht? Was fließt in zivile Verteidigungskonzepte? Wichtig ist für uns in erster Linie, dass die Unterstützung der Ukraine weiter ausgebaut wird", heißt es in einem Statement gegenüber unserer Redaktion.
Er hofft zudem, dass die rund 6000 Millionen Euro, die rechnerisch auf dem Papier für Nürnberg zur Verfügung stehen würden, auch tatsächlich in der Kasse der Stadt ankommen. Er fordert, einen großen Teil davon in Klimaschutzmaßnahmen zu stecken. Was er sich darunter genau vorstellt, bleibt in dem Schreiben zunächst offen.
Keine Antwort von der AfD
Auch der Alternative für Deutschland (AfD) haben wir als Teil des Nürnberger Stadtrats eine Anfrage mit Bitte um ein Statement zum Sondervermögen geschickt. Diese blieb jedoch bislang gänzlich unbeantwortet.